Inhaltsverzeichnis
Start: Kvikkjokk
Ende: Abisko
Distanz Abschnitt: 204,3 km
Wandertage: 9
Gesamtstrecke: 1.703,9 km
Tag 97: Kvikkjokk – Pårte
20.08.2022 | 16 km
Nach der Landung auf dem Boden der Tatsachen in Kvikkjokk buchen wir noch am Abend unsere Hütten für den Weg entlang des Kungsleden bis Saltoluokta vor. Da wir unseren Pausentag nun nicht in Kvikkjokk machen können, haben wir insgesamt etwas mehr Zeit für den nördlichen Abschnitt des Kungsleden und können es in den nächsten Tagen langsam angehen lassen. Das Wetter soll auch eher durchwachsen werden und die Aussicht in den Hütten zu übernachten ist verlockend.
Aller guten Dinge sind drei
Mit etwas besserer Laune legen wir uns schlafen und nehmen am nächsten Morgen noch das Frühstücksbuffet der Fjällstation mit. Wir verquatschen uns ein wenig mit einigen anderen Wanderern, bevor wir uns auf den Weg nach Pårte machen. Dieser Abschnitt ist quasi ein Heimspiel für mich, denn ich laufe den Kungsleden hier nun schon zum dritten mal. Allerdings ist für heute 53 Millimeter Niederschlag angesagt und der Regen lässt auch nicht lange auf sich warten. Es schüttet wie aus Eimern!
Erbarmungsloser Regen und glitschige Wurzeln
Der mit Wurzeln übersäte Weg ist anstrengend zu laufen, da die Wurzeln glitschig und die Pfützen dazwischen unberechenbar tief sind. So stolpern wir heute mehr als das wir wandern und brauchen erstaunlich viel Zeit bis zur Hütte. Als wir ankommen brennt dort allerdings schon der Kamin und wir werden mit warmen Saft erwartet. Die Gemütlichkeit und der Komfort der Hütten auf dem Kungsleden ist gerade an Tagen wie diesen eine Wohltat. Norge på langs nur mit Zelt und ganz ohne feste Unterkünfte wäre sicher eine ganz andere Herausforderung.
Die Hütte füllt sich an diesem Abend bis auf den letzten Platz, während draußen ein Sturm und heftiger Regen tobt. Hier lernen wir abends Jakub und Nir kennen, die auch auf dem Kungsleden in Richtung Abisko unterwegs sind. Wir werden uns in den nächsten Tagen noch öfter wieder treffen.
Tag 98: Pårte – Aktse
21.08.2022 | 21 km
Der nächste Tag beginnt früh, denn vor uns liegt der anstrengende Abschnitt nach Aktse. Auf zwanzig Kilometern führt der Weg heute auch auf einem Teilstück durch den Nationalpark Sarek. Der Sturm hat sich gelegt und die Feuchtigkeit liegt nun in der Luft. Kein Lüftchen geht mehr und beim steilen Anstieg direkt am Anfang des Tages kommen wir direkt ordentlich ins Schwitzen.
Neue Brücken mit steilen Treppen auf dem Kungsleden
Wir sind froh, als wir endlich die Baumgrenze erreichen. Dort wird auch die Luft direkt etwas angenehmer und der Weg leichter zu gehen. Der STF hat hier auch neue Brücken aufgestellt. Diese haben teilweise recht hohe und steile Treppen aus gelochtem Blech, die für Lando gar nicht so einfach zu gehen sind. Wir helfen ihm beim Abstieg ein bisschen, denn mit den Taschen auf dem Rücken verschätzt er sich manchmal etwas.
An der Jågge Schutzhütte machen wir eine kleine Mittagspause. Hier treffen wir auch Jakub wieder. Insgesamt ist es uns aber zu rummelig in der Hütte. Mehrere Wanderer haben bei dem Sturm gestern hier übernachtet und überall hängen Klamotten zum trocknen und es wird eifrig gepackt. Nach dem vielen Regen vom Vortag haben die Flüsse, die wir kreuzen beachtliche Höhen erreicht und wir sind dankbar dafür, dass wir überall Brücken vorfinden.
Surreale Begegnung
An der Schutzhütte am Bootsanleger haben wir dann die vielleicht ungewöhnlichste Begegnung unserer gesamten Tour: als wir ankommen öffnet sich die Tür und ein älterer Mann kommt heraus. Ungewöhnlich alt, um auf dem Kungsleden unterwegs zu sein. Was würde jemanden aber sonst hierherführen? Während ich noch darüber nachdenke, fällt mein Blick auf einen Hammer, den er an seinem Gürtel trägt. Ein Hammer? Mit einem Grinsen auf dem Gesicht fragt er uns, ob wir in die Hütte kommen wollen. Er hätte dort gerade einen Mittagsschlaf gemacht. Die Situation fühlt sich irgendwie komisch an und es ist sonnig, sodass wir erstmal verneinen.
Im Gespräch stellt sich dann heraus, dass Alan Geologe ist und mit dem Hammer Steine aufschlägt. Denn nur von innen kann man den Stein wirklich identifizieren. Er ist tatsächlich auch auf dem Kungsleden unterwegs und das mit über 70 Jahren. Zwei Jahre hat er sich auf diese Reise vorbereitet, geologische Karten studiert und nun setzt er diesen Traum in die Wirklichkeit um. Hatte ich gerade noch das Gefühl, Teil eines schlechten Horrorfilms zu sein, finde ich den Mann nun direkt sympathisch und habe großen Respekt vor seinem Vorhaben.
Hochwasser und eine heiße Sauna
Die Überfahrt über den See Laitaure ist abenteuerlich. Der Wasserstand ist einen Meter höher als normal und die Stege unter Wasser. Wir klettern daher über das Geländer des Steges, um wenigstens einigermaßen trocken wieder an Land zu kommen. Der Hüttenwart erzählt uns, dass Touren in den Sareks aufgrund des Hochwassers aktuell überhaupt nicht möglich sind. Es hat hier wohl auch deutlich mehr geregnet in den letzten Tagen als auf den südlicheren Abschnitten, wo wir unterwegs waren.
Heute Abend wartet aber erstmal eine Sauna auf uns! Erstaunlicherweise haben wir diese ganz für uns. Aber vielleicht liegt das auch an den ausgedehnten Saunazeiten, die es in Aktse mittlerweile gibt. Gab es früher eine Stunde Damensauna, gefolgt von einer Stunde Herrensauna und einer letzten Stunde Mixed Sauna, gibt es nun einen weitere Stunde Mixed Sauna zwischen der Damen- und der Herrensauna.
Tag 99: Aktse – Sitojaure
22.08.2022 | 8,5 km
Als wir aufwachen, strahlt die Sonne. Wir freuen uns auf den vor uns liegenden Abschnitt, da wir bei unserer letzten Wanderung hier in waberndem Nebel unterwegs waren. Heute dagegen geht es mit kurzer Hose den Berg hinauf. Die Etappe ist nicht lang und so lassen wir uns Zeit. Ein Schild mitten auf dem Plateau weist uns schließlich auf den letzten Punkt mit Internetempfang hin. Hier rufen wir beim Bootsservice an und erkundigen uns über die heutigen Abfahrtszeiten.
Lando-Guck-in-die-Luft
Wir buchen schließlich eine Extratour, da wir keine Lust haben, bis zum späten Nachmittag zu warten. Dann würde die reguläre Tour nach Fahrplan gehen. Auf dem Weg hinunter zum Sitojaure sehen wir mal wieder richtig viele Rentiere. Lando ist von ihnen so fasziniert, dass er immer wieder stolpert oder in eins der zahlreichen Löcher im Weg fällt. Wir wundern uns, dass er sich dabei nicht wehtut, aber er schafft es sich irgendwie auf den Beinen zu halten.
Der Bootstransfer über den Sitojaure verläuft ruhig und wir grüßen von Björn, der uns in Kvikkjokk über den See gefahren hat. Durch die Grüße kommen wir ins Gespräch und erfahren, dass die Familie in den letzten Jahren mehrere Boote dazugekauft hat. Die Nachfrage nach Überfahrten steigt immer weiter. Aktuell fahren die beiden jeden Morgen dreimal über den See, um alle Wanderer zu transportieren.
Stürmischer Abend mit Internet und Gesellschaft
In der Sitojaurestugorna werden wir dieses mal nicht im Winterraum untergebracht. Es gibt wohl noch einen anderen Hunderaum. Wir genießen, dass dieser ein Zweibettzimmer ist und wir so etwas Privatsphäre haben. Auch diese Hütte ist komplett ausgebucht, da hier eine Gruppe übernachtet. Da sind wir einmal mehr froh darüber, unsere Übernachtungen vorgebucht zu haben. Während wir in der großen Küche mit schwachem Empfang ein bisschen im Internet lesen, zieht draußen schon wieder ein Sturm auf. Der türkisblaue See bekommt Wellen und kleine Schaumkrönchen. Gut, dass wir nicht auf die späte Bootsfahrt gewartet haben.
Tag 100: Sitojaure – Saltoluokta
23.08.2022 | 19,9 km
Wir dachten schon, dass wir unsere kurzen Hosen nicht mehr brauchen. Doch Pustekuchen – heute ist es nochmal richtig warm und sonnig. Auf der heutigen Etappe laufen wir durch die tolle Moränenlandschaft und genießen dabei jede Minute. Wir sind auch mal wieder wahnsinnig schnell unterwegs. Je länger wir unterwegs sind, desto länger können wir auch ein zügiges Tempo halten.
Beflügelt vom Ausblick auf ein großartiges Abendessen
Eine Pause darf aber natürlich trotzdem nicht fehlen. Wir treffen Jakub wieder und halten eine Viertelstunde an, um uns austzutauschen. Dann wird es uns aber ohne Bewegung doch zu kalt und wir ziehen weiter. Immer wieder finden wir auf dem Weg zerbrochene Steine. Mittlerweile wissen wir, dass der Geologe Alan vor uns läuft und diese aufschlägt. Wir halten also die Augen offen und freuen uns jedes Mal, wenn wir wieder eine Spur von ihm finden!
Nach ungefähr zehn Kilometern erreichen wir die Schutzhütte Avtsustjvágge. Da können wir nicht widerstehen und legen eine weitere Pause ein. Wir sind auch gut in der Zeit. Unser Plan ist es früh in Saltoluokta anzukommen, da wir noch das Abendessen reservieren wollen. Und erfahrungsgemäß ist es manchmal bereits ausgebucht, wenn man erst am späten Nachmittag eintrifft.
An der Schutzhütte treffen wir aber erstmal einen Vater mit seinem zehnjährigen Sohn. Die beiden sind zum ersten Mal zusammen hier oben unterwegs. Während der Sohnemann schnell zum Fluss runterläuft um Wasser für das Mittagessen zu holen, erzählt uns sein Vater von seinen ersten Abenteuern in Lappland, die nun schon 30 Jahre zurückliegen. Seine Begeisterung für die Natur und das Wandern möchte er nun an seinen Sohn weitergeben. Die beiden haben recht viel Zeit mitgebracht und laufen immer soweit, wie sie es gemeinsam schaffen. Unseren Respekt haben sie für diese Herangehensweise auf jeden Fall!
Lichter aus in der Sauna
Am Ende erreichen wir Saltoluokta bereits um 14:30 Uhr und bekommen auch noch den ersehnten Platz am abendlichen Buffet. Vorher genießen wir aber noch die Sauna – leider nach wie vor nach Geschlechtern getrennt. Daher bekommt Manuel auch überhaupt nicht mit, dass mein Kreislauf unter der kalten Dusche am Ende der Sauna in die Knie geht. Ich lege mich auf den kühlen Fliesenboden und lege die Beine hoch. Mir ist komplett schwarz vor Augen, aber ich schaffe es gerade so, das Bewusstsein nicht zu verlieren. Gerade nochmal gut gegangen. Nach dem kleinen Schock geht es jetzt erstmal zum Abendessen!
Tag 101 – 102: Saltoluokta – Vakkotavare
24.08. – 25.08.2022 | 31,1 km
Wir machen einen Ruhetag in Saltoluokta. Das hat bei uns schon Tradition und so genießen wir den sonnigen Tag in vollen Zügen. Wir bauen unser Zelt auf und machen es mal richtig sauber. Dann schreiben wir den Support von Garmin an, denn unser InReach Mini funktioniert nicht mehr richtig. Es lässt sich nur nach langem Laden anschalten und dann bleibt es auch nur so lange an, wie es eine Stromversorgung hat. Garmin schickt ein Ersatzgerät an Manuels Eltern. Wohin wir das schicken vertagen wir erstmal.
Hallo STF: es ist an der Zeit für ordentliches WLAN an den Fjällstationen des Kungsleden
Leider ist das WLAN der Fjällstation richtig schlecht. Eigentlich hatten wir uns darauf gefreut, mal ein paar Filme zu gucken, aber das vertagen wir erstmal. Stattdessen shoppen wir für den nächsten Abschnitt. Der Shop in Saltoluokta ist noch gut bestückt, während wir gehört haben, dass es weiter nördlich sehr wenig Essen in den Shops gibt.
Am nächsten Tag geht es dann aber auch schon wieder weiter. Während Jakub, Nir und Al den Bus nach Vakkotavare nehmen, haben wir uns vorgenommen zu Fuß zu laufen. Etwa 30 Kilometer Straße liegen vor uns. Da kommen wir natürlich recht schnell voran, es ist andererseits aber auch wenig spannend.
Wandern in den Sonnenuntergang
Das Naturum ist da eine willkommene Abwechslung. Hier verbringen wir mehrere Stunden und essen zum Schluss noch ein Sandwich. Vielleicht haben wir auch etwas zu lange getrödelt, denn der Weg ist noch recht weit. Wir erreichen die Hütte in Vakkotavare daher erst gegen 19 Uhr als die Sonne schon tief steht.
Tag 103: Vakkotavare – Kaitumjaure
26.08.2022 | 23,4 km
Auf diesem nördlichen Abschnitt des Kungsleden wollen wir unser Tempo wieder etwas anziehen. Wir planen daher immer zwei Etappen auf einmal zu laufen und buchen die Hütten entsprechend. Allerdings steht heute noch die letzte Bootsfahrt an und die geht planmäßig erst am Abend. Danach müssten wir noch etwas mehr als acht Kilometer laufen.
Rudern oder nicht rudern? Manuels Lieblingsfrage!
Wir überlegen, ob wir vielleicht diesmal doch das Ruderboot nehmen. Aber erstmal erklimmen wir den vor uns liegenden Berg. Der Kungsleden zwischen Vakkotavare und Abisko kreuzt eine Menge Täler und daher geht es oft steil bergauf oder hinab. Dazwischen geht es dann immer eine Weile recht eben voran.
Das viele Laufen hat aber auch hier mal wieder seinen Vorteil: Höhen machen uns nicht mehr viel aus. Natürlich geraten wir auch ins Schwitzen, wir werden aber weniger langsam und es fühlt sich nicht so anstrengend an wie auf unseren früheren Touren.
Rudern? Keine Chance…
Als wir am Teusajaure ankommen, treffen wir eine Gruppe Deutscher, die gerade versuchen den See mit dem Ruderboot zu queren. Das wars dann wohl für uns, denn jetzt liegt erstmal kein Boot mehr auf unserer Seite. Wenig später sind aber auch die Jungs wieder an Land. Der Wind pfeift über den See, der mit Wellen bedeckt ist und das Boot direkt wieder an den Strand drückt. Sie starten noch einen weiteren Versuch, aber es ist zwecklos. Rudern ist heute nicht möglich.
Wir hissen also den Eimer als Signal, dass wir abgeholt werden wollen und starren danach angestrengt auf die andere Seeseite. Dort tut sich aber gar nichts. Also erkunde ich die Gegend ein bisschen und stelle fest, dass es etwas landeinwärts eine neue Schutzhütte gibt. So neu, dass der Kamin noch unbenutzt ist und mir ein feuchtwarmer Duft nach Nadelholz entgegen strömt als ich die Tür öffne. Na immerhin könnte man sich bei schlechterem Wetter hier gut unterstellen.
Eine unruhige Überfahrt über den Teusajaure
Wir haben aber Glück, der Hüttenwart kommt gerade von einer Angeltour zurück, weil der Wind so stark geworden ist. Er setzt direkt über und fährt gleich mehrfach über den See, da er immer nur drei Personen mitnehmen kann. Auch er braucht reichlich Geschick, um durch die Wellen zu navigieren. Seiner Einschätzung nach ist rudern heute unmöglich.
Ein Abschied und schmerzende Füße
In Teusajaure angekommen verabschieden wir uns von Al. Er wandert heute nicht mehr weiter, sodass wir ihm jetzt langsam davonlaufen. Wir haben eine Menge über die Geologie von ihm gelernt! Danke Al!
Da wir auf Seeniveau sind, starten wir von Teusajaure erstmal wieder mit einem Anstieg. Obwohl es erst 15 Uhr ist, zieht sich der Weg nun plötzlich. Es wird steinig und anstrengend zu laufen. Bald tun unsere Füße weh. Unsere ganze Konzentration ist gefordert, damit wir die Füße sicher setzen. Nur langsam kommen wir vorwärts und sind froh als wir gegen 18 Uhr endlich in Kaitumjaure ankommen.
Tag 104: Kaitumjaure – Sälka
27.08.2022 | 24,6 km
Strahlte gestern noch die Sonne vom Himmel, ziehen wir heute wieder unsere langen Hosen an. Die Wolken hängen tief und Nebel liegt über dem Fjäll als wir gegen halb zehn starten. Der Weg zur etwa auf der Hälfte gelegenen Hütte Singi ist noch wenig begangen und ähnlich steinig wie der Vortag.
Herbstwetter und eine volle Singi Hütte
Der Nebel wird immer mal wieder zum Regen und es weht ein eisiger Wind. Ungemütlich ist es heute. Wir genießen die tolle Landschaft und die Wanderung durch das lange Tal trotzdem. Und kommen gegen dreizehn Uhr an der Singi Hütte an. Diese ist total voll mit Wanderern, die wohl wegen des Wetters noch gar nicht aufgebrochen sind. Zudem kommen die ersten schon nass am Ende ihrer Etappe an.
Wir verspüren wenig Lust uns in das Getümmel der Kungsleden Wanderer zu stürzen und machen daher auf einer kleinen Bank hinter der Hütte Mittagspause. Innerlich stellen wir uns darauf ein, dass es ab jetzt “voller” auf dem Wanderweg wird, da die meisten Kungsleden Wanderer den Abschnitt zwischen Abisko und Nikkaluokta laufen und wir uns ab Singi genau auf diesem Stück befinden.
Ach, es ist einfach so schön auf dem Kungsleden
Heute merken wir davon allerdings noch nichts. Die meisten Wanderer sind in der Hütte und auf auf dem Weg nach Sälka treffen wir kaum eine Menschenseele. Dafür ist aber das Tjäktja-Tal einfach großartig. Die steilen Hänge der umliegenden Berge leuchten im dramatischen Zwielicht, welches das ständig wechselnde Wetter mit sich bringt. Immer wieder gehen auch Wege in die Seitentäler hinauf und wir träumen davon, irgendwann nochmal wieder zu kommen und mit ganz viel Zeit alle diese Täler zu erkunden.
Volle Hütte
Dann sehen wir den Sälkagletscher zu unserer Linken und uns wird klar, dass wir bald da sind. Es ist wieder nur wenige Grad über null und so sind wir an diesem Abend froh, dass wir erneut ein festes Bett und einen warmen Kamin haben.
Als wir ankommen, ist unser Zimmer allerdings schon komplett voll: heute Abend schlafen wir zu neunt in einer doch eher winzigen Hütte. Das ist tatsächlich eine logistische Herausforderung, da nichtmal Platz für alle Rucksäcke ist. Wir nehmen daher alles was wir brauchen aus den Rucksäcken und lassen diese anschließend im Vorraum stehen.
Tag 105: Sälka – Alesjaure
28.08.2022 | 25,6 km
Heute geht es über den höchsten Punkt des Kungsleden: den Tjäktja-Pass. Wir lassen die Sälka Hütten um neun Uhr hinter uns. Das Wetter ist trüb und kalt und wir ziehen Mütze und Handschuhe an. Für die knapp neun Kilometer bis zum Pass brauchen wir drei Stunden und auf über 1000 Metern Höhe fegt der Wind. Zusammen mit dem Nieselregen ist das eine sehr unangenehme Kombination und so flüchten wir uns schnell in die kleine Schutzhütte. Die Idee hatten auch schon andere Wanderer und von der vielen Feuchtigkeit, die jeder mit rein bringt, ist das kleine Fenster komplett beschlagen.
Motivation für nasses, kaltes Wetter gesucht
Da Nir nur kurz nach uns aufgebrochen ist, warten wir, bis auch er ankommt. Während wir eine ausgedehnte Mittagspause machen und nach neuer Motivation suchen, um uns wieder in das kalte, nasse Wetter zu stürzen, erreicht auch Jakub die Schutzhütte. Wir überreden ihn, als heutiges Ziel genauso wie Nir und wir Alesjaure anzusteuern. Wäre doch cool, wenn wir uns abends wiedertreffen würden. Ganz sicher ist er nicht, aber er will es versuchen.
Nach einer Stunde Pause machen wir uns an den Abstieg, denn der längste Teil des Weges liegt noch vor uns. Um uns herum ist eine Geröllwüste, durch die glücklicherweise viele Stege führen. Das ist der Vorteil am Kungsleden: er ist unfassbar gut ausgebaut. Allerdings müssen wir auf den nassen Stegen trotzdem höllisch aufpassen, denn diese sind vom Regen richtig glatt.
Lando hat einen Durchhänger
Wir kommen daher zunächst nur langsam vorwärts und besonders Lando ist heute langsam. Wind und Regen gefallen ihm bei den eisigen Temperaturen gar nicht. Wir merken, dass er heute an seine Grenzen kommt. Sein Geschirr mit den Taschen sitzt zudem gar nicht gut, da er in den letzten Tagen abgenommen hat. Wir versuchen es besser einzustellen, so gut es mit unseren steifen Fingern geht. Und im Geiste schreiben wir auf unsere Einkaufsliste, dass wir in Kiruna nach einem Regenmantel für Lando gucken müssen.
Der Weg zieht sich zunächst wie Kaugummi, aber nach einer Stunde laufen wir an den Tjäktja Hütten vorbei. Das letzte Mal als wir hier waren, war ähnlich schlechtes Wetter. Mit unserem Abstieg ins Tal wird es auch endlich etwas wärmer. Gut, dass in Abisko unsere Winterausrüstung auf uns wartet. Die können wir langsam wirklich brauchen.
Wie weit ist es noch bis zur Tjäktja Hütte?
Der weitere Weg durch das Alisvággi zieht sich zwar, ist aber an sich nicht schwer zu laufen. Allerdings haben wir heute einige Begegnungen mit ziemlich erschöpften Wanderern, die uns entgegen kommen. Und alle stellen die gleiche Frage: wie weit ist es noch bis zur Tjäktja Hütte?
Uns erstaunt, wie wenig Menschen digitale Karten mit GPS Unterstützung dabei haben und wieviele gleichzeitig ihre Papierkarten anscheinend gar nicht interpretieren können. Die Gesichter werden zumindest lang, wenn wir von mehreren Stunden Weg sprechen.
Ausverkaufter STF Shop
Nach 26 Kilometern erreichen auch wir endlich unser Ziel. Der Tag war aufgrund des Wetters kräftezehrend. Im Shop der Hütte erwarten uns leere Regale und wir kaufen, was man noch bekommen kann: Tortellini mit Gulasch und Parmesan. Die Kombination hatten wir auf dem Kungsleden jetzt schon mehrfach und ist anscheinend auch am Saisonende gut verfügbar.
Auch heute Abend füllt sich die Hütte wieder bis zum letzten Bett. In unserem Zimmer kommt der letzte Wanderer um 22:30 Uhr in völliger Dunkelheit an und erzählt, dass er sich mit der Weglänge aus Abiskojaure komplett verschätzt hat.
Tag 106: Alesjaure – Abisko
29.08.2022 | 34,2 km
Als wir unserem Zimmermitbewohner, der sich am Vortrag mit der Zeit so verschätzt hat am Morgen erzählen, dass wir die Abiskojaurehütte nach 21 Kilometern überspringen und direkt bis Abisko durchlaufen, hält er uns glaube ich für komplett durchgeknallt.
Ein letzter Kraftakt auf dem Kungsleden
34 Kilometer liegen heute vor uns und wir verabschieden uns um 08:30 Uhr von Nir und Jakub. Es war eine schöne Zeit mit den Beiden, aber heute wollen wir mit dieser Doppeletappe den Kungsleden vollenden. Unser Plan ist es dann etwas länger Pause zu machen und in Kiruna neue Schuhe zu kaufen.
Einmal wieder heißt es “Los geht’s”. Am Anfang geht es auf einfachen Wegen entlang des Alesjaure. Ich schweife mit den Gedanken ab und befinde mich plötzlich wieder im Jahr 2018 als ich zum ersten Mal diesen Abschnitt lief. Damals in entgegengesetzter Richtung. Es war Manuels und meine erste gemeinsame Fernwanderung und damals war es für den August ziemlich kalt.
Seid ihr die mit dem Blog? Wir werden mal wieder erkannt.
Apropos kalt: als wir den Anstieg ins Gárddenvággi gerade hinter uns lassen zieht ein eisiger Wind und peitschender Regen auf. Wir haben jedoch Glück, dass uns der Schauer nur streift und einige Minuten später schon vorbeigezogen ist. Heute ist mal wieder sehr wenig los auf unserem Weg. Wir überlegen, ob es daran liegt, dass tatsächlich bei schlechtem Wetter weniger Wanderer von Abisko aus aufbrechen. Könnte doch sein, oder?
Dann kommt es aber doch zu einer der wenigen heutigen Begegnungen: Ein junger Mann mit Hund kommt uns entgegen. Er mustert uns und fragt dann, ob wir einen Blog schreiben. Das ist nun die dritte Begegnung auf dem Kungsleden, bei der wir erkannt wurden. Es freut uns sehr, dass unsere Artikel anscheinend vor allem von Kungsleden Wanderern gelesen werden!
Können wir jetzt bitte da sein?
Der restliche Tag zieht sich. Vor allem ab der Hütte Abiskojaure vergehen die Kilometer quälend langsam. Unsere Beine sind müde und mein Rücken tut trotz des leichten Rucksacks weh. Um 18:15 Uhr stehen wir dann am Eingangsportal des Kungsleden und machen noch ein Foto. Jetzt haben wir es geschafft, wir sind den kompletten Kungsleden gelaufen. Ich werde ein wenig sentimental. Der hinter uns liegende Abschnitt war definitiv einer der schönsten dieser Reise. Wird es nochmal so toll werden?
Schnell tauschen wir die aufkommenden zweifelnden Gedanken gegen Fantasien von gemütlichen Betten, Sauna und leckerem Abendessen während wir die letzten Meter zur Abisko Fjällstation laufen.
Tag 107 – 109: Pausentage rund um Abisko
30.08. – 01.09.2022
Die folgenden Tage verlaufen etwas chaotisch. Wir planen zwei Pausentage nach dem Kungsleden und wollen diese nutzen, um nach Kiruna zu fahren und dort neue Schuhe zu kaufen. Die Trailrunner haben nach etwa 1000 Kilometern kaum mehr Profil und Manuels Schuhe haben schon Löcher. Zusätzlich ist mein top reif für den Müll und ein neues muss her.
Abisko – Kiruna
Wir nehmen daher den Bus nach Kiruna und können sogar mittags schon im Hotel einchecken. Dann machen wir uns auf den Weg zum Intersport. Doch dort gibt es weder passende Schuhe für uns noch eine gute Beratung. Auf Nachfrage, wo wir es sonst versuchen können, erklärt uns die Verkäuferin, dass die Geschäfte der Innenstadt in dieser Woche in das neue Stadtzentrum umziehen und erst in zwei Tagen wieder eröffnen.
Wir haben die durch die Erzmiene bedingten Veränderungen in der Stadt bei jedem Besuch der letzten Jahre interessiert beobachtet, aber dass gerade jetzt das Stadtzentrum verlegt wird kommt für uns zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Neue Ausrüstung für Lando
Naja, dann erstmal keine Schuhe. In der Nähe des Intersports gibt es auch einen Tierladen und hier werden wir besser beraten und kaufen neue Packtaschen für Lando. Die alten haben nach acht Jahren Nutzung mittlerweile Löcher und eine Schlaufe ist ausgerissen. Zusätzlich lassen wir Lando verschiedene Regenmäntel anprobieren und entscheiden uns für ein Modell, was er über den Taschen tragen kann. An den letzten beiden Regentagen haben wir nämlich festgestellt, dass Lando sich bei dem nasskalten Wetter nicht wohlgefühlt hat. Mit seinen über neun Jahren ist er nicht mehr der jüngste und die Temperaturen sind tagsüber teilweise nur noch knapp über dem Gefrierpunkt. Da wird ihm der Regenmantel demnächst beim Wärmeerhalt sicher helfen.
Kiruna – Abisko, Abisko – Kiruna, Kiruna – Abisko
Dann machten wir uns wieder auf nach Abisko. Abends bringen wir noch unser Paket zur Post, in dem unsere Sommerausrüstung steckt. Von nun an laufen wir mit wärmerem Schlafsack und Klamotten weiter. Spontan meldeten sich meine Eltern, die gerade in der Gegend im Urlaub sind. Und so kommt es, dass wir am nächsten Tag nochmal nach Kiruna fahren uns das neue Stadtzentrum samt Eröffnungsfeier angucken. Es gibt Kuchen mit dem Stadtlogo und “Eisenerzklumpen” als Deko. Im ebenfalls neu eröffneten Sportladen finden wir am Ende doch noch leichte Wanderschuhe mit Goretex Membran, die etwas geeigneter für die anstehenden nassen und kalten Tage sind.
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