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Start: Tynset
Ende: Trondheim
Distanz Abschnitt: 196,3 km
Wandertage: 9
Gesamtstrecke: 738,9 km
Tag 44: Pausentag in Tynset
28.06.2022
Nachdem der Plan gefasst ist, zwei Tage auf dem Pilgerweg Østerdalsleden Richtung Røros zu laufen beschäftigen wir uns mal wieder etwas länger mit dem vor uns liegenden Abschnitt und auch mit den Pilgerwegen.
Ursprünglich geplant hatten wir von Røros aus ostwärts zu laufen und dann weglos durch den Blåfjella-Skjækerfjella Nationalpark und nochmal weglos durch das Børgefjell. Viel weite und menschenleere Landschaft hätte uns dort erwartet. Aber auch tagelange Märsche durch Sumpf mit schwieriger Navigation. Und genau danach ist uns gerade einfach nicht zumute. Wir entscheiden uns daher für den Pilgerweg. Der Østerdalsleden führt uns bis Trondheim, von dort können wir dem Olavsleden ein Stück folgen, dann dem Nordleden und dann folgen noch etwa 180 Kilometer selbst zusammen gestellte Strecke, die etwa zur Hälfte der E6 folgt. Die E6 ist eine echt große Straße und es wird sicher keinen Spaß machen daran entlangzulaufen. Naja, einen Tod müssen wir sterben.
Tag 45 – 46: Tynset – Os
29.06. – 30.06.2022 | 26,5 km | 17,6 km
Aber zunächst zurück zum Østerdalsleden. Von Tynset aus laufen wir bis Os auf dem Gammel Allmanvegen. Hier kommen wir sehr schnell voran, allerdings haben die Mücken einen nicht unerheblichen Anteil daran. Schon im Gehen sind wir umschwirrt von ihnen und zusätzlich von Bremsen und tausenden Fliegen. Anhalten wir da zur Zerreißprobe. Dann eben keine Pause…
Tag 47 – 48: Røros
01.07. – 02.07.2022
Von Os aus nehmen wir den Zug nach Røros, denn die Stadt liegt jetzt nicht mehr auf unserem Weg, wir wollen sie aber dennoch anschauen. Und es lohnt sich: das alte Bergarbeiterstädtchen hat viel zu bieten. Wir entscheiden uns für eine Stadtführung und außer uns nimmt niemand anderes teil. Obwohl es nun Anfang Juli ist, befinden wir uns immer noch in der Vorsaison. Die Hauptsaison scheint hier auch nur ein paar Wochen von Mitte Juli bis Mitte August zu dauern. Wir nutzen die private Führung für jede Menge Fragen und gönnen uns danach noch ein Stück Kuchen im Café.
Da das Wetter am nächsten Tag richtig mies vorhergesagt ist, entscheiden wir zudem einen Tag länger zu bleiben. Auch Sophie und Markus, die sich mit uns das AirBnB teilen, wollen den Regentag noch aussitzen. Und so haben wir zusammen eine richtig gute Zeit in unserer “NPL WG”!
Uns tut der zusätzliche Pausentag gut. Obwohl die Pause in Tynset noch nicht lange her ist, fühlen wir uns müde. Wir tauchen also nochmal ab in die Geschichte von Røros und schauen uns das Museum zur Kupfermine an. Hier gibt es sogar einen Audioguide, der uns das Lesen und Übersetzen erspart. Zum Abschluss des Tages werfen wir noch einen Blick auf das Wetter. Und das verheißt nichts Gutes. Regen, soweit die Vorhersage reicht. Und nicht nur ein paar Schauer, sondern wirklich amtlicher Regen. Das kann ja was werden, Pilgern auf dem Østerdalsleden im Regen.
Tag 49: Røros – Movollen
03.07.2022 | 15,4 km
Wir trödeln morgens und obwohl unser Zug zurück nach Os erst nach zwölf Uhr geht, müssen wir am Ende einen Sprint zum Bahnhof einlegen, kommen aber gerade noch rechtzeitig. Von Os aus folgen wir zunächst einer Schotterstraße. Von einem Hof rennt uns ein Mädchen hinterher und fragt, ob wir Pilger seien. Ihre Schwester folgt ihr. Die beiden packen all ihre Englischkenntnisse aus, um herauszufinden, wohin wir laufen und staunen nicht schlecht, als wir ihnen von unseren Plänen erzählen.
Wir laufen weiter auf kleinen Nebenwegen und machen kurz Rast an einem geschlossenen Supermarkt. Dort holt uns ein Gewitterschauer ein und wir kauern uns in den überdachten Eingangsbereich, um nicht nass zu werden. Der weitere Weg ist gesäumt von eingezäunten Feldern und gegen Abend ist es gar nicht so einfach einen geeigneten Zeltplatz zu finden. Am Ende schlagen wir unser Zelt etwas neben einem kleinen Bach auf.
Tag 50: Movollen – Hütte am Forollsjøen
04.07.2022 | 22,6 km
Als wir am nächsten Morgen frühstücken wollen, treibt die Bäuerin eine ganze Gruppe Kühe auf die Wiese. Nicht umzäunt heißt also nicht, dass die Wiese nicht genutzt ist. Wir haben allerhand damit zu tun, die neugierigen Kühe von unserem Zelt und Lando fernzuhalten. Ihm sind die großen Tiere ein wenig unheimlich.
Heute folgen wir zunächst weiter der geschotterterten Straße und biegen dann ins Fjell ab. Während wir auf den Straße das Tempo hochhalten konten, bremsen uns der sumpfige Abschnitt in den Bergen aus. Gerade am Einstieg ist der Weg gar nicht so einfach zu finden und wir fluchen, während uns die ständige Navigation Nerven und Zeit kostet. Irgendwann finden wir aber auf den Hauptweg zurück und während wir uns dem wunderschönen Forollhøgna Nationalpark nähern, wird der Pfad immer breiter. Entlang des Weges sehen wir eine große Zahl an Goldregenpfeifern, die wir direkt auf unsere Tierliste aufnehmen. Außerdem queren wir hier unser letztes (?) Schneefeld bis zum Herbst.
Abends wird das Wetter richtig schlecht und ein heftiger Regen setzt ein. Wir finden Zuflucht in der offenen Hütte am Forollsjøen und finden dort ein Bett vor. Der Hauptraum ist abgeschlossen, aber es ist schon so spät, dass wir den Hüttenwart nicht mehr anrufen wollen. Stattdessen blasen wir eine Matte auf und Manuel legt sich damit auf den Boden. Eng wird es erst als nach 22 Uhr noch zwei Norweger ankommen, die auch völlig nass sind. In ihrer Verzweiflung rufen diese dann doch den Hüttenwart an und bekommen wenig später den Code für den Schlafraum.
Tag 51: Hütte am Forollsjøen – Klettheim Forsammlingshus
05.07.2022 | 24 km
In den nächsten Tagen genießen wir auf unserem Weg entlang des Østerdalsleden bis Trondheim jede Nacht eine andere Pilgerherberge. Anders als die DNT Hütten sind diese Unterkünfte sehr individuell und wir wissen vorher nie was uns erwartet. Manchmal gibt es eine Dusche, manchmal nur eine Berghütte ohne Strom.
Nach einem langen Tag im Fjell, an dem wir am Ende in einem Hagelsturm ziemlich nass und ausgekühlt unten im Tal ankommen, finden wir Obhut in einem Gemeindehaus. Hier steht einfach ein Etagenbett in einem riesigen Zimmer im Obergeschoss. Während wir unser Wasser für das Abendessen in der Industrieküche im Erdgeschoss kochen, kommt der halbe Ort vorbei, da heute Abend der Zaun rund um das Versammlungshaus repariert werden soll. Bei der Gelegenheit werden auch direkt alle Sträucher geschnitten und aufgeräumt. Am nächsten Wochenende steigt hier nämlich das Sommerfest.
Tag 52: Klettheim Forsammlingshus – Vardan
06.07.2022 | 8,04 km
Wir schlafen gut, aber am nächsten Tag wache ich mit einem Ausschlag an meinem Knie auf. Ich habe in den letzten Tagen meine Bandage nicht mehr getragen, da das Knie zusehends weniger wehtut. Vom Diclofenac ist meine Haut wohl sehr sonnenempfindlich geworden und hat ganz ordentlich reagiert. Offensichtlich habe ich eine Art Sonnenallergie an den behandelten Stellen entwickelt.
Schon bald nachdem wir uns heute auf den Weg machen, merken wir, dass das nicht unser Tag wird. Und hinter uns ziehen schon wieder richtig dunkle Wolken auf. Das Wetter ist im Moment wirklich richtig mies. Wir müssen an Markus und Sophie denken, die aktuell durch die sumpfigen Gebiete weiter östlich laufen und wenig Möglichkeiten haben, feste Unterkünfte zu finden.
Nach acht Kilometern finden wir an der höchsten Stelle in einem Sattel eine kleine offene Hütte. Wir wollen nur kurz den Regenschauer aussitzen, aber irgendwie kommen wir nichtmehr hoch. Am Ende bleiben wir und genießen den freien Nachmittag. Es ist doch schön, dass wir uns die Zeit so frei einteilen können.
Tag 53: Vardan – Samatun
07.07.2022 | 35,1 km
Nach dem kurzen Vortag haben wir heute wieder richtig Energie. Die ersten Kilometer verfliegen und bald machen wir unsere erste Pause an einem Supermarkt. Passend, denn es hat gerade wieder richtig angefangen zu regnen. Wir überlegen, bis wohin wir heute laufen wollen. Ursprünglich hatten wir die nächste offene Hütte angepeilt, aber jetzt liebäugeln wir mit dem Übungszentrum Samatun des Roten Kreuzes. Ich hatte hier bereits angefragt und den Code für die Tür bekommen. Allerdings sind es bis Samatun 36 Kilometer. Aber man wächst ja mit seinen Anforderungen.
Wir weichen vom Østerdalsleden ab und laufen stattdessen über die parallele Schotterstraße. So kommen wir viel schneller voran und haben auch nicht so viele Höhenmeter vor uns. Es ist kalt und nieselt, aber wir haben ein klares Ziel vor Augen: heute Abend möchten wir duschen. Am Ende sind wir hundemüde, alles tut weh, aber wir schaffen es und erreichen das Rotkreuz Übungszentrum Samatun.
Tag 54: Samatun – Schmiede
08.07.2022 | 25,3 km
Zwei Tage vor Trondheim entwickelt sich innerhalb kürzester Zeit ein stechender Schmerz im unteren Teil des Schienbeins meines rechten Beins. Nicht schon wieder Schmerzen. Blasen, Knieschmerzen, ich hatte doch nun wirklich genug Probleme, die uns aufgehalten haben. Doch der Schmerz wird schlimmer und wir stehen mitten im Sumpf noch zwanzig Kilometer von der Unterkunft entfernt und es gibt natürlich nichtmal Netz. Meinen Fuß strecken oder heranziehen ist extrem schmerzhaft.
Ich beiße die Zähne zusammen und laufe langsam weiter. Schritt für Schritt, zwischendurch mal den Schmerz rausschreien und auch mehr als einmal rausweinen. Aber es hilft nichts, wir müssen weiter. Durchnässt kommen wir abends an der Unterkunft. Heute übernachten wir auf einem Bauernhof in einer restaurierten Schmiede. Der Inhaber bringt uns noch eine Cola und ein Bier und bietet uns an, uns zum Supermarkt im Ort zu fahren. Wir haben aber eigentlich alles dabei und so lehnen wir ab.
Ich nutze den guten Empfang und recherchiere, was die Ursache für meine Schmerzen sein könnte. Abschließend kann ich zwar keine Diagnose stellen, aber am wahrscheinlichsten scheint mir eine Überlastung der Wade zu sein. Wir sind ja am Vortag 36 Kilometer gelaufen, vielleicht war das doch ein bisschen viel. Wir massieren die Wade und ich dehne Wade und Schienbein und dann gehts erstmal ins Bett.
Tag 55: Schmiede – Trondheim
09.07.2022 | 21,7 km
Am nächsten Tag entscheide ich, dass ich mit dem Zug nach Trondheim fahre, während Manuel den letzten Tag läuft. Heute trennen sich also unsere Wege. Ich humple zum Bahnhof und fahre nach Trondheim. Ich kann wirklich kaum laufen. Im Pilgerzentrum lasse ich mir es erstmal ein wenig gutgehen. Alle Pilgerwege Norwegens führen nach Trondheim und so natürlich auch der Østerdalsleden. Für Pilger ist der Kaffee umsonst und ich sitze trocken, bequem und gemütlich mit einem Stück Kuchen im Warmen.
Hier kann ich mir auch unsere Olavsbriefe und unseren Pilgerpass ausstellen lassen, mit dem wir an verschiedenen Stellen entlang der kommenden Pilgerwege Vergünstigungen erhalten. Außerdem gibt es eine große Europakarte. Diese wird jedes Jahr neu aufgehängt und die Pilger markieren ihre Heimatstadt mit einer Stecknadel. Viele Menschen sind dieses Jahr noch nicht gepilgert und den Østerdalsleden laufen sowieso nicht viele.
Später treffe ich Manuel in der Jugendherberge von Trondheim wieder. Er erzählt, dass es die nasseste und sumpfigste Etappe bisher war. Immer wieder ist er bis über den Knöchel eingesunken. Entsprechend müde und erschöpft sieht er aus und verschwindet erstmal unter der warmen Dusche. Ein bisschen froh sind wir schon, dass wir diesen nassen und sumpfigen Abschnitt auf dem Østerdalsleden abgeschlossen haben.
Die Anstrengungen des Tages treten aber mit der Aussicht auf eine große Pizza im Imbiss ums Eck in den Hintergrund. Ich nehme für den kurzen Weg dorthin einen Leihroller, damit ich mein Bein schonen kann. Manchmal hat die Großstadt eben auch Vorteile…
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