Der sechste Tag bringt uns einen ebenso blauen Himmel wie die Tage zuvor. Morgens um halb sechs als wir aufstehen ist es bereits ziemlich warm. Aus dem Fenster unserer Hütte sehen wir beim Frühstück den steilen Anstieg, der direkt zu Beginn des heutigen Tages vor uns liegt. Wir haben uns extra den Wecker gestellt, um früh los zu kommen und den Anstieg hinter uns zu bringen, bevor die Sonne richtig kräftig wird. Nach der Querung des Passes werden wir in Richtung Gautelis Stausee absteigen. Schon kurz nach unserem Aufbruch und nur wenige hundert Meter hinter der Cáihnavággihytta weicht das niedrige Gras langsam dem Geröll und wir steigen stetig auf. Wir blicken nochmal zurück und stellen fest, dass an der Hütte hinter uns langsam Leben einkehrt. Die kleine deutsche Gruppe wird uns wohl mit einigem Abstand folgen.
Nicht jeder Tipp von Mitwanderern erweist sich als gut
Von einer Wandrerin haben wir am Vortag den Tipp bekommen, am See nicht den offiziellen Weg östlich des Sees zu nehmen, sondern an der Steilwand im Westen aufzusteigen. Durch das Schneefeld könne man besser laufen als im schneefreien Geröll auf dem offiziellen Weg. Als wir die steile, verschneite nordwestliche Seeseite jedoch erblicken, entscheiden wir uns für den markierten Weg. Die Gefahr dort abzurutschen und eine nass-kalte Landung in den noch teilweise mit Eis bedeckten See zu machen wollen wir nicht eingehen.
Lando hat seine Mühe mit den großen Felsblöcken
Stattdessen queren wir den Fluss, der diesen See mit dem See unten an der Hütte verbindet. Es ist bereits die zweite Flussquerung am heutigen Tage. Tief ist er nicht, aber ziemlich kalt. Danach steigen wir in der prallen Sonne bergauf durch ein immer steiler werdendes Geröllfeld. Lando macht beim Aufstieg irgendwann auf der anderen Seeseite Rentiere aus und läuft fortan an der Leine.
Die Felsblöcke werden während des Aufstiegs immer größer und fordern uns und Lando ziemlich. Lando und ich müssen zusätzlich dazu wie wir unsere Füße setzen auch auf den jeweils anderen achten, denn wir hängen ja an einer Leine zusammen. Wir erweisen uns aber als gutes Team und sind trotz dieser zusätzlichen Aufgabe ähnlich schnell wir Manuel unterwegs! Und heute merken wir auch, dass wir uns langsam wieder an die Belastung gewöhnen, denn der Aufstieg fällt uns weniger schwer als mancher Abschnitt in den vergangenen Tagen. Lando rutscht jedoch mehrfach auf den Blöcken ab und trägt eine Schürfwunde an einer Pfote davon.
Die angetauten Schneefelder jagen uns ein bisschen Angst ein
Nach drei Stunden stehen wir endlich oben auf dem Pass und haben eine grandiose Aussicht zurück. Wir genießen diese ausgiebig bevor wir weiterlaufen. Der Weg quert jetzt mehrere Schneefelder, die durch die warmen Temperaturen angetaut und richtig nass sind. Uns ist ein bisschen mulmig zumute während wir darüber laufen, denn was sich unter dem Schnee befindet können wir nicht erkennen. Zum Glück sind irgendwo vor uns zwei Norweger unterwegs, deren Spuren im Schnee wir folgen können. Dies macht die Wegfindung etwas leichter. Außerdem hoffen wir, dass der Schnee uns dort, wo heute bereits andere Wanderer liefen, tragen wird.
Langsam aber erbarmungslos grillt die Mittagssonne uns auch heute wieder. Wir haben Gesichter, Nacken, Arme und Beine komplett verhüllt. Vermutlich sehe ich aus wie ein Scheich mit mehreren Handtüchern rund um meinen Oberkörper. Manuel ist dagegen eher der Typ Schwerverbrecher mit einem Bufftuch plus Kapuze im Gesicht und Handschuhen, da seine Handrücken am Vortag schon ziemlich verbrannt sind.
Ab hier gibt es nur noch Panoramablicke
Bei unserem Abstieg ins Tal öffnet sich der Blick auf den Gautelisvatnet, einen Stausee auf dessen Staumauer wir heute zulaufen. Das Geröll wird langsam wieder von Gras überwachsen und die Landschaft lieblicher. Ursprünglich haben wir geplant zur Gautelis-Hütte zu laufen. Da dies aber einen großen Umweg von etwa sieben Kilometern nach sich ziehen würde, entscheiden wir uns spontan direkt Kurs auf die nächste Hütte am Skoaddejávri zu nehmen.
Der Abzweig dorthin ist nicht gut zu finden und wir haben mehr Glück als Verstand, dass genau an dieser Stelle die beiden vor uns laufenden Norweger Rast machen. Im kurzen Plausch mit ihnen stellt sich heraus, dass wir hier abbiegen müssen. Vermutlich wären wir ohne ihren Hinweis ansonsten an den dezenten Markierungen vorbeigelaufen.
Schatten ist heute Fehlanzeige: selbst an großen Steinen werden wir kaum fündig
Wenig später machen auch wir eine kurze Rast im Schatten eines großen Steines. Besonders lange halten wir es dort allerdings nicht aus, da die Sonne so hoch über uns steht, dass sie scheinbar überall hinkommt. Wir hoffen, an der Staumauer mehr Schatten zu finden und laufen weiter. Dabei treffen wir die deutsche Gruppe vom Vortag wieder, die schneller unterwegs sind als wir. Diese ist etwa eine Stunde nach uns von der Hütte aufgebrochen und war seitdem immer wieder hinter uns zu sehen. Langsam kommen die drei näher und schließlich überholen sie uns.
Jetzt wo wir hinter ihnen laufen, beobachten wir, dass einer der dreien leicht torkelt und nicht mehr besonders frisch aussieht. Er hat keinerlei Sonnenschutz und das bei hellblonden Haaren und ebenso heller Haut. Wir vermuten einen Sonnenstich und bedauern den armen Kerl, denn die beiden anderen scheinen wenig Rücksicht auf ihn zu nehmen. Langsam verschwinden sie aus unserem Blickfeld, doch bereits wenig später treffen wir sie an einem großen Stein rastend wieder.
Schatten am Gautelis Staudamm– selten haben wir uns darüber so gefreut
Wir überholen also wieder und laufen weiter in Richtung Gautelis Staudamm. Weit ist es nicht mehr und als wir dort angekommen stellen wir erleichtert fest, dass wir mit unserer Vermutung nach Schatten Recht hatten. An der Staumauer befindet sich ein kleines Maschinenhaus, dass genügend Schatten für uns wirft. Wir machen dort über zwei Stunden Pause bis die Sonne um 17:30 Uhr deutlich weniger kräftig scheint. Die Gruppe hat uns derweil wieder überholt, der Vater gab uns die Auskunft, dass er vorhat noch mindestens zehn Kilometer zu laufen. Wir sind skeptisch und haben ein bisschen Mitleid mit den beiden Jungs. Die Stimmung scheint bei ihnen nicht so gut zu sein.
Handyempfang am Gautelis Staudamm
Wir hatten keinen Handyempfang am Staudamm und auch nicht an dem Stückchen Straße, auf dem man danach läuft. Wer auf Handyempfang angewiesen ist, kann die Straße etwas weiter laufen und es dort versuchen. Bei Recherchen im Internet liest man immer wieder, dass es dort Empfang geben soll.
Perfekter Zeltplatz inklusive bester Aussicht
Vom Gautelis Staudamm aus geht es eine Weile an einer lose befestigten Straße entlang. Dort sehen wir auch einige Wohnmobile und Camper. Wir kommen auf diesem einfachen Abschnitt schnell voran, sind aber doch froh, wenig später wieder auf unseren Track zu stoßen. Gut sichtbar weisen uns die Steinmännchen den Weg, der sich hier sanft über Wiesen schlängelt. Weit kommen wir an diesem Tag nicht mehr, da ein Zeltplatz mit toller Aussicht an unserem Wegesrand liegt. Da können wir einfach nicht widerstehen. Und auch, wenn wir neugierig sind, ob es die drei Deutschen noch bis zur Hütte geschafft haben, kann uns heute nichts mehr motivieren weiterzulaufen. An dieser Stelle sind wir doch zu sehr Genusswanderer.
Nachdem wir unser Zelt aufgebaut haben genießen wir noch eine Weile den mückenfreien Blick über den unter uns gelegenen See und die Berge. Dafür haben wir die eine Apsis unseres Zeltes komplett zurückgerollt. So ergibt sich direkt aus dem Zeltinneren ein freier Blick in die Landschaft! Lando beobachtet derweil die Rentiere, die sich überall um uns herum bewegen. Was ein toller Tagesabschluss!
Cáihnavággihytta
Beschreibung
Auch die Cáihnavággihytta liegt an einem See und ist mit dem DNT-Schlüssel verschlossen. Allerdings ist sie mit etwas mehr als 1000 m höher gelegen, als die Cunojávrihytta. Der Ausblick in die noch von Schneeresten bedeckten Berge war großartig.

Tag 6: Cáihnavággi - Čoarddajávri
Profil
Beschreibung
Der sechste Tag: Von der Cáihnavággihytta zum Zeltplatz am Čoarddajávri.
Hinter der Cáihnavággihytta beginnt der Aufstieg zum etwa 1180 m hoch gelegenen Pass. Der markierte Weg östlich des Sees ist anspruchsvoll und erfordert Trittsicherheit im Geröllfeld. Der “Geheimtipp” westlich des Sees eine Abkürzung zu nehmen erscheint uns jedoch schwieriger. Kurz nach dem Pass müssen wir uns entscheiden: links zur Gautelishytta, rechts in Richtung Skoaddejávrihytta. Wir nehmen den rechten Pfad. Achtung, er ist leicht zu übersehen. Hinter dem Gautelisstaudamm verläuft eine Schotterstraße und hier treffen wir auf einige Wohnmobile. Bald darauf verlässt der Pfad die Straße und nach etwa 1 km finden wir tolle Zeltplätze.
Čoarddajávri
Beschreibung
Etwa 1 km hinter der Schotterstraße am Gautelis-Stausee finden sich gute Zeltplätze. Wir haben einen tollen Blick über zwei Seen in die unendliche Weite der grandiosen Landschaft hier im hohen Norden. In der Nähe finden wir einen kleinen Bachlauf mit herrlich frischem und kalten Wasser.
