Nachdem wir uns auf der vierten Etappe unseres Kungsleden Abenteuers ein wenig erholen konnten und früh im Bett waren, sind wir heute viel früher dran, als am Tag zuvor. Gut ausgeruht gibt es bereits um 08:30 Uhr Frühstück. Als Sitzgelegenheit dient uns wieder der prima geeignete Stein am Bach, wo wir auch unsere Wasservorräte auffüllen können. Ein Blick auf die Wanderkarte verrät uns, dass das heutige Ziel auf dem Kungsleden, die Tsielekjåkkstuga etwa 14 km entfernt ist.
Schon mit Beginn des heutigen Wandertages blicken wir auf den beeindruckenden Berg Goabddábakte, über dessen Rücken uns der Kungsleden heute führt. Er hat eine über mehrere hundert Meter steil abfallende Südwand und es wirkt fast so als würde er ganz alleine dort stehen. Vor uns liegen etwa 300 Höhenmeter steiler und anstrengender Anstieg. Zwischendurch halten wir immer wieder an und genießen die wahnsinnig weitläufige Sicht. Dabei öffnet sich mit jedem Höhenmeter ein immer gewaltigeres Panorama, bis wir schließlich oben stehen und nur noch staunen können.
Vom Plateau am Goabddábakte hat man einen 270 Grad Panoramablick
In drei Richtungen haben wir eine fantastische Weitsicht, die vierte Seite wird flankiert von der Wand des Goabddábakte. Fast eine Stunde genießen wir dieses Bild und unser Auge findet immer wieder neue Einzelheiten in der Landschaft. Je länger wir hinsehen, desto mehr Punkte in dem vor uns liegenden Panorama beginnen sich zu bewegen. Und tatsächlich: wir entdecken viele verschiedene Gruppen von Rentieren, die unterhalb unseres Ausgucks von rechts nach links durch die grandiose Landschaft ziehen. Auch Lando kann sie sehen und genießt sein ganz persönliches Rentier-TV.
Der Versuch, diesen Anblick fotografisch festzuhalten gelingt uns nicht, die Verzerrung des Fotos lässt einen die Weite nicht so begreifen wie sie tatsächlich vor uns liegt. Diese Aussicht ist auch im Nachhinein gesehen definitiv eins unserer absoluten Highlights der Tour!
Auf dem Plateau werden wir von Rentieren begleitet
Auch wenn wir die Aussicht sicher noch stundenlang weiter genießen können, wird uns irgendwann kalt und es ist Zeit weiterzuziehen. Der Kungsleden überquert auf unserem Weg zur Tsielekjåkkstuga eine weite Ebene, die wir in einem zügigen Tempo durchwandern. Lando hat einige Rentiere entdeckt, die mit uns ziehen und zieht dementsprechend an der Leine.
Wir nennen dies mittlerweile den „Rentiermodus“. Ich habe dabei den Vorteil, dass ich mich von ihm ziehen lassen kann und meine eigenen Kräfte schone. Dabei passe ich jedoch immer auf, dass Lando nicht zu lange zieht, denn er geht dabei auch über seine Grenzen hinaus und ist dann später völlig erschöpft. Auch in Situationen, in denen das Gelände schwierig ist und eine gewisse Trittsicherheit meinerseits erfordert, ist es hinderlich wenn Lando an der Leine zieht. Wenn er dann Rentiere sieht, muss er konsequent hinter mir laufen. Das durchzuziehen ist manchmal ganz schön anstrengend, aber notwendig, um mich und Lando sicher ans Ziel zu bringen.
In einer engen Schlucht führt der Kungsleden hinab zur Tsielekjåkkstuga
Die Hochebene endet schließlich in einer engen Schlucht, die den Weg hinab ins Tal eröffnet. Es geht zunächst recht steil bergab, an einigen Stellen ist es rutschig, dann weitet sich das Tal und der Abstieg wird immer flacher. Über uns ziehen dicke Regenwolken auf, die tief bis in die Berggipfel hängen. Die Tsielekjåkkstuga taucht recht plötzlich hinter einem Hügel auf. Der Regen setzt kurz vor unserem Ziel langsam ein und wir laufen den letzten Kilometer im Eiltempo, um nicht allzu nass zu werden.
Heute sind wir froh ein festes Dach über dem Kopf zu haben
Als wir nach der kurzen Etappe auf dem Kungsleden noch vor 14:00 Uhr an der Tsielekjåkkstuga angekommen, sind wir froh sie leer vorzufinden. Der immer stärker werdende Regen bestärkt uns in dem Entschluss, die Nacht hier in der Hütte zu verbringen. Mit unseren Matten und Schlafsäcken machen wir es uns gemütlich. Aufgrund des Wetters verlassen wir die Hütte an diesem Tag fast nicht mehr und sind froh nicht draußen essen zu müssen.
Tsielekjåkkstuga
Die Einrichtung der Tsielekjåkkstuga direkt am Kungsleden ist einfach, es gibt zwei Holzpritschen mit einer geschätzten Breite von jeweils einem Meter. Ein kleiner Ofen sorgt im Notfall für die nötige Wärme und ein Satellitentelefon für den Kontakt in die Zivilisation. Außerdem gibt es hier bereits einen Aushang mit den Infos für die Bootsüberfahrt nach Kvikkjokk. Einige Meter von der Hütte entfernt gibt es außerdem eine Toilette.
Am späteren Nachmittag taucht dann doch noch weiterer Wanderer auf. Es ist ein Tscheche, der in entgegengesetzter Richtung unterwegs ist. Er ist völlig durchnässt und froh jetzt im Trockenen zu sein. Auf der Suche nach frischer Kleidung und seinem Abendessen räumt er seinen Rucksack aus. Wir sind erstaunt, was er hier draußen mit sich herumschleppt: eine ganze Stange Zigaretten. Mal wieder so ein Kuriosum des Wanderrucksackinhaltes.