Der dritte Tag ist bei Katharina fast immer der Tag, an dem sie morgens nicht so recht in Gang komme. So auch dieses Jahr. Zudem wissen wir, dass sich das Wetter im Laufe des Tages verschlechtern soll. Unser Plan ist es daher erstmal bis zum Fuße des Barturtte Massivs zu laufen um dann zu entscheiden, ob wir noch weiter wollen. Von da führt der Kungsleden nämlich über mehrere Kilometer bergauf und über eine langgezogene Hochebene. Nach eingehendem Studium der Karte scheint es dort keine geschützten Campingstellen zu geben. Dies bestätigt uns auch ein entgegenkommender Wanderer.
Zu Fuß auf dem Kungsleden überwanden wir den Polarkreis
Bereits nach einer halben Stunde auf der heutigen Etappe des Kungsleden erreichen wir das erste kleine Hindernis: eine eingestürzte Brücke. Sie wurde zum Teil mitgerissen und liegt halb im Wasser. Zum Glück ist der Fluss, den sie mal überspannt hat, recht klein, sodass wir dank unserer Wanderstöcke und einiger großer Steine trockenen Fußes an die andere Seite kommen.
Wir wandern bei trüben Wetter durch recht flache Landschaft mit den typischen Birkenwäldern Lapplands. Es ist auffällig trocken. Immer wieder stoßen wir auf fast oder sogar ganz trocken gefallene Tümpel und Seen. Ein Zeichen des Klimawandels? Der positive Efffekt der Trockenheit ist, dass es so gut wie gar keine Mücken gibt. Auch dies ist uns schon früh aufgefallen. Unser Mücken-Repellent haben wir bisher so gut wie gar nicht benutzt.
Ein Highlight ist das recht unauffällig an einer Birke hängende Schild mit der Aufschrift „Polcirkeln“, welches uns darauf aufmerksam macht, dass wir von nun an nördlich des Polarkreises unterwegs sind. Ein Unterschied ist nicht auszumachen, aber es ist doch irgendwie ein tolles Gefühl, diese imaginäre Linie auf den eigenen Füßen überquert zu haben.
Warum lassen Wanderer Müll entlang des Kungsleden liegen?
Kurz bevor es bergauf auf den Rücken des Barturtte geht, finden wir an einem kleinen Fluss mehrere gute Campingstellen, an denen wir eine Mittagspause machen. Leider haben einige rücksichtlose Wanderer die halb verbrannten Aluverpackungen ihrer Abendessen zurückgelassen. Für so etwas habe ich ja wirklich gar kein Verständnis und so ärgert mich dieser Anblick sehr. Noch während unserer Pause setzt dann auch der angekündigte Regen ein und wir überlegen kurz, direkt unser Zelt aufzubauen. Da es aber erst etwa 14 Uhr ist, entscheiden wir uns dagegen, denn wir verspüren wenig Lust, den ganzen Nachmittag im Zelt zu verbringen.
Bei Wind und Regen geht es über den Rücken des Barturtte
Stattdessen packen wir unsere Regenklamotten aus und uns einigermaßen wasserdicht ein. Dann geht es bergauf. Trotz des schlechten Wetters haben wir richtig gute Laune. Wind und Regen lassen uns spüren, wie lebendig wir sind. Durch die Anstrengung wird uns nicht kalt.
Als wir den Anstieg geschafft haben kommen uns auf der Hochebene zwei Deutsche entgegen. Mittlerweile ist es später Nachmittag. Sie haben zu unserer großen Verwunderung beide Sandalen an: er mit völlig durchnässten Socken und sie gänzlich ohne Socken. Die beiden sind merklich abgekämpft und tragen ihre Wanderschuhe auf dem Rücken, weil diese nicht eingelaufen sind und die Füße voller Blasen. Sie fragen uns nach der Gehzeit zur nächsten Hütte und sind nicht begeistert davon, dass sie noch viele weitere Stunden vor sich haben. Auch der nächste gute Zeltplatz für sie ist mehrere Stunden entfernt. Wir haben dort Mittagspause gemacht. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht, dass sie es in ihrem Zustand und bei schlechter werdenden Wetter noch bis nach Vuonatjviken geschafft haben.
Mehrere Stunden führt der Kungsleden uns über den Rücken des mehr als 1000 Meter hohen Barturtte Massivs. Schließlich treten wir wieder den Abstieg an. Dabei merken wir auch langsam, dass unsere Kräfte schwinden. Kälte, Wind, Regen und die vielen Kilometer, die uns mittlerweile an diesem Tag in den Beinen stecken, machen sich bemerkbar. Ich merke, dass ich weniger trittsicher bin und rutsche mehrfach auf dem matschigen Untergrund weg. Katharina geht es genauso.
Beim Abstieg schwinden unsere Kräfte
Nun ist es wirklich ungemütlich. Zum Regen gesellt sich jetzt unangenehmer Graupel und auf der nördlichen Seite des Berges bläst ein eisiger und scharfer Wind. Uns steht eine weitere Nacht im Zelt bevor. Auf der Karte ist eine aufgegebene Rentierwächterhütte mit Namen Tjäurakåtan eingezeichnet und wir wollen bis dorthin weiter, um zu schauen, ob sie etwas Schutz gegen das Wetter bietet. Sie wurde uns von einem anderen Wanderer empfohlen und er sagte uns auch, dass wir dort geeignete Zeltplätze finden. Bereits auf dem Weg dorthin sehen wir, dass an der ersten guten Zelt-Stelle nach dem Berg oder an der letzten vor dem Berg, wenn man andersherum läuft, ein richtiges Zeltdorf für diese Nacht gewachsen ist.
Übernachten in einer Rentierwächterhütte – wie cool ist das denn?
Ein kleines Stück weiter finden wir tatsächlich die auf der Karte markierte Kote. Sie bietet ein wenig Windschutz, ist aber nicht wasserdicht. Ein völlig durchnässter Brite, der auch auf dem Kungsleden unterwegs ist und vor Kälte zittert, hat hier bereits Unterschlupf gesucht. Wir setzen uns dazu und essen erstmal etwas. Dabei erfahren wir, dass der Brite aufgrund von Gewichtsoptimierung auf vieles verzichtet hat. Solange er in Bewegung ist funktioniert das System, aber bei Pausen und abends friert er. Ein bisschen leid tut er uns schon, denn er scheint an diesem Abend am Ende seiner Kräfte angekommen zu sein. Nach einiger Zeit packt er seine Sachen zusammen und macht sich auf die Suche nach einem geeigneten Übernachtungsplatz.
Auch ich finde nur wenige Meter von der Kote entfernt ein traumhaftes und geschütztes Plätzchen mit Blick auf einen kleinen See. Dieser dient uns heute auch als Trinkwasserquelle. Katharina schlägt ihr kleines Zelt in der Kote auf und schläft zusammen mit Lando geschützt vor dem schlimmsten Wind wirklich gut in dieser Nacht.