Wenn man im Internet nach dem Lieserpfad in der Eifel sucht, stößt man auf die Aussage, es sei der „schönste Wanderweg der Welt“. Klar ist das ein Werbespruch, aber er hängt die Erwartungen für die bevorstehende Wanderung hoch.
Der Fluss Lieser
Die Lieser ist ein kleines Flüsschen, das in Daun-Boxberg entspringt und sich dann auf etwas mehr als 70 Kilometern bis zur Mosel windet. Der Lieserpfad verläuft dabei auf knapp 75 Kilometern in vier Tagesetappen immer entlang des Flusses von der Quelle bis zu seiner Mündung im gleichnamigen Ort Lieser in die Mosel.
Mit Vorfreude packe ich die wenigen Sachen, die ich für die viertägige Wanderung mit Übernachtung in Pensionen und Hotels brauche, in meinen kleinsten Rucksack. Auch Landos Packtaschen sind nur zu einem kleinen Teil gefüllt.
Tag 1: Boxberg – Daun
An einem trüben Montagmittag starte ich mit einem Freund vom kleinen Wanderparkplatz etwas außerhalb von Daun-Boxberg. Außer uns parkt dort niemand. Von der Lieser ist noch nichts zu sehen. Nach dem trockenen Sommer bin ich mir auch nicht sicher, ob in dem Graben, der in einiger Entfernung verläuft, überhaupt Wasser fließt. Den kurzen Umweg zur Quelle lassen wir daher aus und steigen direkt am Parkplatz in den Lieserpfad ein. Es geht zunächst über viele asphaltierte Feldwege durch eine offene Landschaft. Immer wieder fällt der Blick auf Siedlungen und Industrie. So richtig fühle ich mich noch nicht in der „Wildnis“ des Lieserpfades in der Eifel angekommen.
Aus einem Brunnen am Rande des Ortes Neichen sprudelt Wasser. Lando, dem die Zunge schon weit aus dem Hals hängt, da er auf einer Wiese fleißig nach Mäusen gebuddelt hat, stürmt direkt auf das Wasser zu. Nach dem ersten Schluck will er jedoch nichts mehr trinken. Nachdem ich neugierig selbst das Wasser probiert habe, verstehe ich warum. Es schmeckt metallisch und sauer, hat sogar natürliche Kohlensäure! Ich bin davon so überrascht, dass ich es runtergeschluckt habe, bevor ich es wieder ausspucken konnte. Aber noch einen Schluck möchte auch ich nicht trinken.
Kurz darauf geht es an einer kleinen Brücke zum ersten Mal über die Lieser. Sie ist an dieser Stelle noch ein kleines Rinnsal, sodass die Brücke fast ein bisschen übertrieben wirkt. Es folgt ein großer Forstweg durch einen Wald mit akkurat in Reihen gepflanzten Fichten. Es ist deutlich zu sehen, dass es ihnen nach zwei trockenen Sommern alles andere als gut geht.
Unsere Mittagspause verbringen wir unter der Brücke der Liesertalquerung der A1. Es gibt dort direkt am Wegesrand einen schön angelegten Rastplatz mit zwei tollen Sitzen, einem Tisch und dem Blick über das Liesertal. Von der Autobahn hört man an dieser Stelle quasi nichts, sodass wir unsere mitgebrachten Brote genießen können.
Der restliche Weg nach Daun verläuft weitgehend asphaltiert oder auf großen Forstwegen zunächst durch mehrere Orte, dann entlang eines lauten Industriegebietes. Nach etwa vier Stunden erreichen wir Daun und sind etwas enttäuscht vom ersten Tag. Vom schönsten Wanderweg der Welt haben wir mehr erwartet.
Tag 2: Daun – Manderscheid
Der herbstliche Morgen in Daun beginnt kühl. Nebelfelder heben sich langsam aus dem Eifel-Tal hinauf. Eine beeindruckende Kulisse. Uns führt der Lieserpfad aber zunächst von der Stadt aus hinab in das Tal der Lieser. Diese ist mittlerweile zu einem größeren Bach geworden. Es gibt hier einen idyllisch angelegten Weg. Auf der anderen Flussseite jedoch führt die Bundesstraße entlang, sodass es ganz und gar nicht ruhig ist.
Wir kommen zügig voran und stehen bald oberhalb des Gemündener Maars, einem kreisförmigen See vulkanischen Ursprungs. Hier kreuzen wir auch den Eifelsteig, der zunächst auf einer etwas anderen Route verläuft, aber etwa ab der Hälfte des zweiten Tages bis zur Hälfte des dritten Tages parallel zum Lieserpfad verläuft. Für uns geht es jedoch erstmal weiter auf großen Forststraßen durch den Wald. Immerhin Wald, auch wenn die Wege gar nicht nach unserem Geschmack sind. Tief unter uns verläuft die Lieser. Auch Lando langweilen die geraden, breiten Wege und er tut das was er in solchen Situationen immer macht: er sucht sich eine Aufgabe in Form eines großen Astes, den er mitschleppt! Dafür bietet der Kahlschlag am Wegesrand eine große Auswahl.
An einer großen Wiese kurz hinter Üdersdorf machen wir Pause. Dort weidet eine Herde Wasserbüffel und wir beobachten die Tiere aus einiger Entfernung. Wenige Schritte weiter passiert dann das, womit wir fast nicht mehr gerechnet haben. Nach einer Brücke wird der Weg schmaler und wir befinden uns nun wirklich auf kleinen Pfaden im Wald! Und an diesem Tag bleiben wir auch im Wald. Immer wieder öffnen sich uns Blicke über weitläufige Landschaften, in denen wir wirklich nur Wald sehen. Keine Häuser, keine Strommasten, nichts außer Bäumen! Das ist für Deutschland schon ziemlich außergewöhnlich und wir genießen es! Seit der Eifelsteig parallel verläuft gibt es auch viele wettergeschützte Rasthütten, die zum Verweilen einladen. Trotz kleinerer Wege ist der Lieserpfad sehr einfach zu gehen und wir erreichen Manderscheid schon am frühen Nachmittag. Der Ort liegt gefühlt mitten im Wald und ich habe an den meisten Stellen nicht mal Handyempfang.
Wer sich für die Burgen in Manderscheid interessiert, dem empfehle ich hier einen Pausentag einzulegen und diese zu besichtigen. Die Oberburg und die Niederburg standen sich einst feindlich gegenüber und wurden nur durch das Liesertal getrennt. Heute kann man beide besichtigen und dies beispielsweise mit dem 5,4 km langen Manderscheider Burgensteig kombinieren, der mitten in der Stadt startet.
Tag 3: Manderscheid – Wittlich
Mit dem Panorama auf die beiden Burgen verabschieden wir uns von Manderscheid und verschwinden wieder im Wald. Diesmal führt uns der Lieserpfad direkt auf kleine Wege mit tollen Blicken durch das Liesertal. Der über dem Tal aufsteigende Nebel, die herbstliche Stimmung und die feuchten, moosbewachsenen Felsen am Wegesrand geben dem Weg eine verwunschene Atmosphäre. Ich fühle mich pudelwohl, freue mich die frische Waldluft zu atmen und genieße den Blick ins Grüne mit seinen vielen Facetten! Der Weg schlängelt sich entlang des Hanges mal höher und mal weniger hoch über der Lieser. Diese ist zwischenzeitlich übrigens ein stattliches kleines Flüsschen geworden.
Wenn man es auf der Karte betrachtet, beschränkt sich die bewaldete Landschaft übrigens wirklich nur auf das Liesertal und seine Hänge. Daran anschließend findet sich direkt wieder Kulturlandschaft. Dies stellen wir auch fest, als uns der Weg ein kurzes Stück aus dem Liesertal hinaus führt. Oben am Hang angekommen erstrecken sich Felder soweit das Auge reicht. Wieder zurück im Liesertal gewinnt man jedoch den Eindruck, dass der Wald endlos groß ist, da man den Rand nicht sehen kann. Und im Liesertal selbst fühlt man sich fernab der Zivilisation. Die dritte Etappe fand ich im Nachhinein gesehen wirklich die schönste!
Nachmittags kommen wir in Wittlich an und treffen dort die wenigen Wanderer, die wir auf der Strecke getroffen haben wieder. Die einen sind im gleichen Hotel untergekommen, andere treffen wir im Restaurant wieder. Ich mag genau dies an mehrtägigen Wanderungen. Man trifft die gleichen Personen mehrfach, nach ein paar Tagen entwickelt sich sowas wie ein Zusammengehörigkeitsgefühl.
Tag 4: Wittlich – Lieser
Fast schon etwas wehmütig machen wir uns nach dem großartigen Vortag auf zu unserem letzten Wandertag. Wir glauben nicht so recht daran, dass der letzte Wandertag genauso schön werden wird. Der Weg lehrt uns jedoch etwas anderes! Kurz hinter Wittlich queren wir erneut die A1. Dort, direkt neben der Brücke stehen die Überreste einer alten römischen Villa. Die Grundrisse auf der Informationstafel verraten, dass diese mal sehr prunkvoll ausgesehen haben muss.
Wir wenden uns nach links und mit einem kleinen Anstieg geht es wieder zurück in unsere geliebte Waldwelt. Noch einmal führt uns der Weg auf traumhaften Pfaden durch tolle Mischwälder und fast zauberhaft wirkende kleine Bachtäler. Dann geht es wieder etwas in die Zivilisation, wir laufen entlang einiger Felder und durch kleine Ortschaften. Trotzdem biegt der Lieserpfad wo es geht wieder in kleine Wälder und auf schmale Pfade ab. Selbst am letzten Stück, das eng entlang der Bundesstraße führt, ist die Wegführung toll gemacht.
Und dann stehen wir plötzlich an der Mündung in die Mosel! Diese ist wenig spektakulär, fast ein bisschen unschön. Lieblos ist dort ein Haufen Kies aufgeschüttet und eine Baustraße läuft unterhalb des Kieshaufens entlang. Trotzdem genießen wir einen Moment das Gefühl, den Fluss auf seiner gesamten Reise begleitet zu haben! Dann wandern wir entlang der Mosel, wo wir unzählige Walnussbäume finden, in den Ort Lieser.
Fazit
Der erste Wandertag hat mir nicht so gut gefallen. Die Streckenführung entlang von Straßen und Industriegebiete und durch viele Orte war wenig idyllisch. Ab der Hälfte des zweiten Tages wurden wir dafür aber absolut entschädigt! Kleine Wanderpfade und eine tolle Wegführung mit unberührter Natur im Liesertal waren ein tolles Erlebnis. Ich würde nicht so weit gehen, den Lieserpfad als den „schönsten Wanderweg der Welt“ zu bezeichnen, aber er hat mir wirklich gut gefallen! Wer keinen Wert darauf legt den gesamten Flusslauf zu erwandern, dem empfehle ich die erste Etappe auszulassen und mit Beginn der zweiten Etappe in Daun starten. Zusätzlich kann man gut einen zusätzlichen Tag in Manderscheid verbringen, um die dortigen Burgen und das Umland ein wenig zu erwandern.
Der Lieserpfad ist sehr einfach zu wandern, es gibt keine nennenswerten Steigungen und die Wege sind gut ausgebaut. Dementsprechend kann man recht zügig wandern, wenn man das denn möchte! Viele Hütten auf der zweiten und dritten Etappe laden zum Verweilen ein. Auf der vierten Etappe haben wir Pausenplätze vermisst. Erst auf dem letzten Viertel etwa gab es plötzlich wieder unzählige Bänke.
Übernachten
Die Internetpräsenz des Lieserpfades ist sehr dürftig, ich empfehle nach Unterkünften direkt im Internet zu suchen, statt die Auflistung auf der Homepage des Lieserpfades heranzuziehen. Für die Unterkunft in Manderscheid solltet ihr beachten, dass diese WLAN bietet, da der mobile Empfang dort nicht besonders gut ist. Mehr Infos zu den Etappen gibt es hier: www.lieserpfad.de