Um der Mittagshitze zu entgehen und trotzdem den langen Weg nach Pauro zu meistern, stellen wir uns den Wecker früh. Von Kathrin, die ankündigte auch früh loszuwollen, ist keine Spur. Sie schläft in der großen Hütte und von außen scheint alles still. Wir wissen daher nicht, ob sie eventuell schon losgelaufen ist oder noch im Bett liegt.
Morgenstund hat Gold im Mund
Bei vier Grad und weiterhin wolkenlosem Himmel machen wir uns bereits kurz vor sieben Uhr auf den Weg. Dieser ist zu Beginn einfach zu laufen und verläuft auf den ersten 1,5 Kilometer weiter auf der geschotterten Straße. Bereits nach einer Viertelstunde erreichen wir das Ende des Sees. Dort stehen zu unserer Verwunderung mehrere Bauwagen und ein Kran. Was hier wohl gebaut wird? Wenig später wird unsere Frage beantwortet: auf der linken Seite sehen wir die zerteilten Reste eines Strommastes liegen. Vermutlich ist dieser im letzten Winter einem Sturm oder einer Lawine zum Opfer gefallen.
Wir biegen rechts ab auf unseren Wanderweg, der sich steil den Berg hinaufwindet. Und steil heißt heute wirklich steil! Meine Waden brennen bereits nach einigen Metern und ich muss immer wieder stehenbleiben, um ihnen ein bisschen Erholung zu geben. Dabei genieße ich die tolle Aussicht, die mit jeder Pause ein kleines bisschen besser wird. Vor uns liegt eine grasbewachsene Ebene, durch die sich mehrere Flüsse bis in den Sitojaure schlängeln. Der See selbst liegt still unter uns. Dahinter türmen sich die majestätischen Berge auf, hinter denen die Sonne gerade aufgeht, erkennbar an der leichten Morgenröte. Noch schafft sie es nicht, über die Berge zu scheinen, aber lange wird es nicht mehr dauern, bis die Sonne uns wieder wärmt. Die Hütte, in der wir übernachtet haben ist nur noch ein kleiner Fleck am Ufer.
Bagger und Stromleitung wirken merkwürdig deplatziert in der ansonsten unberührten Landschaft
Dann geht’s weiter. Auf halben Weg nach oben finden wir einen weiteren Bagger und einen Behelfsstrommast, neben dem ein neuer gebaut wird. Der Boden ist durch die schweren Geräte ziemlich aufgewühlt und wir müssen gut aufpassen, um unseren Weg nicht zu verlieren. Schließlich verlässt uns die Stromleitung, die in einem anderen Tal weiter verläuft.
Auf dem Boden sehen wir plötzlich etwas glitzern. Neugierig bücken wir uns und stellen fest, dass es die Steine sind, die hier herumliegen. Wir sind geologisch gänzlich unerfahren, aber da in der Gegend viel Eisenerz, teilweise oberflächennah, abgebaut wird, denken wir, dass auch hier eventuell Metalle in den Stein eingeschlossen sind. Auf jeden Fall sieht es total schön aus, wenn der Boden um einen herum in der Sonne funkelt!
Wir steigen weiter den Berg hinauf. Langsam wird die Vegetation karger und schließlich ist auch das letzte Grün verschwunden. Einmal mehr laufen wir über Geröll. Wir überqueren einige steile Schneefelder, die direkt in einem See enden. Uns gruselt die Vorstellung hier das Gleichgewicht zu verlieren. Dann fände man sich am Ende einer Rutschpartie wohl im eiskalten Wasser wieder. Wie Eisberge liegen die Eisfelder auf den Seen. So eine Landschaft habe ich vorher noch nie gesehen. Man könnte meinen wir haben einen Grönlandurlaub gebucht, wenn die Sonne nicht eher wie in Südeuropa brennen würde.
Materialverschleiß Nummer 1: Rucksack
Lando entdeckt plötzlich eine Rentiermutter mit einem schneeweißen Kalb. Nicht weit von uns entfernt queren sie unseren Weg. Mit einem ungeduldigen Bellen springt er los und reißt an der Leine. Ein unschönes reißendes Geräusch macht mir klar, dass etwas nicht stimmt. Der Blick auf meinen Hüftgurt, an dem ich die Leine festgemacht habe, bestätigt diese Vorahnung: eine Naht ist gerissen und der Hüftgurt hängt nur noch am seidenen Faden. So ein Mist! Wer schon einmal einen schweren Rucksack getragen hat, weiß, dass ein Hüftgurt elementar ist, um die Last nicht auf den Schultern tragen zu müssen. Mit einem Stück Reepschnur überbrücken wir die Schwachstelle und flicken den Rucksack notdürftig.
Der Blick, der sich aufs Baugevatnet öffnet ist einzigartig
Nach dem kleinen Zwischenfall öffnet sich plötzlich der Blick auf das Tal auf der anderen Seite des Aufstiegs! Und dieser ist mal wieder wirklich spektakulär. Auf keiner meiner Touren in Skandinavien hab ich so viele tolle Blicke gehabt wie in den letzten Tagen. Wir blicken über das Baugevatnet, einen See, der das ganze Tal füllt. Wir sind so überwältigt, dass wir erstmal eine Pause machen und den Blick genießen. Aber schaut euch das 360 Grad Panorama einfach selbst an!
Sanft führt uns der Pfad danach am Hang entlang hinunter zum See. Wir kommen schnell voran. Nach einer kurzen Strecke am Seeufer erreichen wir die Baugebua, eine kleine Hütte mit nur zwei Betten. Nachdem wir die süße kleine Hütte von innen angeschaut haben, machen wir im Schatten vor der Tür fast drei Stunden Mittagspause. Der erste Teil der Strecke nach Pauro fühlte sich leichter als erwartet an und wir sind optimistisch für die zweite Hälfte.
DNT Hütte Baugebua
Die Baugebuahütte ist absolut winzig aber super gemütlich. Sie hat alles, was man braucht und ist erst 2016 gebaut worden, da die alte Hütte zerstört wurde. Aufgrund der Größe würde ich eine Übernachtung hier nicht unbedingt einplanen, da es sein kann, dass die Hütte schon belegt ist.
Betten: 2
Strom: nein
Bezahlung: im Nachgang per Paypal oder Überweisung
Schlüssel: DNT Schlüssel
Weitere Informationen: ut.no (nur norwegisch)
Auf dem Trail hilft man sich gegenseitig wo es geht
Während wir vor uns hin dösen, trifft ein uns entgegenkommender Deutscher ein. Er erzählt uns von Mückenschwärmen, die ihn völlig zerstochen haben, weil er nur ein deutsches Mückenspray dabei hat. Wenn dir das nicht passieren soll, lies unseren Artikel zum Mückenschutz im Fjäll. Mehrfach hat er sich zudem auf dem Weg zwischen Røysvatn und Pauro verlaufen, da er mit einer Papierkarte navigierte. Da er auch kein Zelt mitträgt, ist er darauf angewiesen, abends in den Hütten zu schlafen. Nach den langen Märschen inklusive Umwegen war er aber teils so erschöpft, dass er nichts mehr essen konnte.
Nun schleppt er mehr Essen mit sich als er auf der Tour essen können wird. Wir empfehlen ihm, es mit der Dänin Kathrin zu teilen. Wir haben sie am Tag zuvor in der Sitashytta getroffen und ihre Essensvorräte waren knapp. Sie muss irgendwo hinter uns laufen, da er sie noch nicht getroffen hat. Abends treffen wir sie wieder und erfahren von ihr dann auch, dass es geklappt hat und sie jetzt genug Essen hat. Sie muss sich nun nicht mehr so beeilen!
Navigation im norwegischen Fjäll
Übrigens haben wir festgestellt, dass die Karten hier oben alle mit Vorsicht zu genießen sind. In der norwegischen Karte ist die Hütte Baugebua auf der falschen Flussseite eingetragen. Dort stand die alte Baugebua, die Karte ist aber offensichtlich noch nicht aktualisiert worden. Über die Wegführung sind sich die schwedische und norwegische Karte oft nicht einig, am besten man schaut vor Ort, wo die Steinmännchen entlang führen. Teilweise ist das nämlich wiederum ein anderer Weg. Am häufigsten richtig liegt zu unserer Verwunderung der GPX-Track, den wir vorher anhand von Openstreetmaps-Karten erstellt haben.
Lando meistert die Schwimmstelle neben der Brücke routiniert
Direkt an der Baugebuahütte befindet sich eine Brücke. Wir bringen wie gewohnt unser Gepäck auf die andere Seite und suchen eine gute Stelle zum Schwimmen für Lando. Diese finden wir etwa 300 Meter flussabwärts. Langsam kehrt eine gewisse Routine bei dieser Methode ein und auch Lando scheint zu verstehen, wie das Vorgehen ist. Er schwimmt auf jeden Fall ohne Zögern durch den Fluss!
Der zweite Teil unseres Weges nach Pauro zieht sich. Oder ist das nur unsere Wahrnehmung? Es sind nur noch neun Kilometer und wir brauchen auch bloß vier Stunden von der Baugebua bis zur Hütte in Pauro. Daher sind wir eigentlich nicht langsamer unterwegs als sonst. Das Gelände jedoch ist unwegsam und es liegen viele große Schneefelder auf unserem Weg. Teilweise sind diese so stark unterspült, dass wir sie umgehen müssen. Das bedeutet immer wieder kleine Umwege, die vor allem für die Psyche anstrengend sind.
Planänderung mit Blick auf Pauro notwendig!
Endlich stehen wir nach dem letzten Anstieg auf dem Sattel und schauen auf den Paurosee. Ein wunderschöner Anblick, der uns ungemein fasziniert. Das Tal mit dem See liegt in seiner ganzen Schönheit vor uns. Gleichzeitig schockt der Anblick uns aber auch: überall liegt Schnee! Der Sattel auf dem wir stehen, scheint eine Art Wetterscheide zu sein.
Ein kurzer Blick auf die Karte verrät uns, dass der Weg Richtung Sørfjord, den wir von Pauro aus nehmen wollen, noch zu großen Teilen schneebedeckt ist. Er führt hoch über einen anderen Bergsattel. Schnell wird uns klar, dass wir diesen Weg wohl nicht gehen können. Und dass Ende Juli! Dieses Jahr gab es wohl besonders viel Schnee und die Schneeschmelze setzte spät ein. Normalerweise ist es um diese Zeit schon schneefrei und wir sind entsprechend für eine Sommertour ausgestattet. Unser heutiges Ziel die Paurohütte sehen wir von hier oben bereits. Während wir ins Tal absteigen beschließen wir, uns am nächsten Tag nicht nach Sørfjorden aufzumachen sondern stattdessen direkt Richtung Røysvatn zu gehen. Wir sind froh, dass wir bei der Planung dieser Tour diese Variante bereits berücksichtigt hatten.
DNT Hütte Pauro
Die Umgebung um die Paurohütte ist absolut traumhaft. Die Hütte ist für einen Pausentag gut geeignet. Wir trafen hier eine samische Familie, die sich in der kleinen Hütte niedergelassen hat. Das ist nicht erlaubt, aber nicht ganz ungewöhnlich. Der DNT kämpft wohl damit, dass die Samen die Hütten nutzen, aber dafür nicht bezahlen.
Betten: 12 in zwei Hütten laut DNT Homepage
Strom: 12V in der kleinen Hütte, haben wir nicht ausprobieren können
Bezahlung: im Nachgang per Paypal oder Überweisung
Schlüssel: DNT Schlüssel
Weitere Informationen: ut.no (nur norwegisch)
Das Hüttenbuch in Pauro ist eine wichtige Informationsquelle
Nach etwa neun Stunden Wanderung erreichen wir die Hütte und stellen im Besucherbuch fest, dass dieses Jahr noch niemand ohne Skier von oder nach Sørfjorden gelaufen ist. Dies stärkt unsere Entscheidung Richtung Røysvatn zu laufen. Da es unseren Weg um einige Kilometer verkürzt, können wir uns weiterhin viel Zeit lassen. Wir überlegen daher uns für die 28 Kilometer lange Etappe nach Røysvatn zwei Tage Zeit zu lassen.
Aktuelle Trailgeschichten
Wenig nach uns erreicht auch ein norwegisches Paar, das wir auf Mitte vierzig schätzen, die Pauro Hütte. Uns fasziniert einmal mehr, was Wanderer aus ihrem Rucksack zaubern: Direkt nach der Ankunft schmeißt sie sich in frische Klamotten und am nächsten Morgen gibt es nochmal ein neues Outfit! Dazu haben die beiden flache Teller, tiefe Teller und richtiges Besteck dabei. Und dass, obwohl sie nach eigener Aussage eine Hüttentour machen und in den Hütten sowas eigentlich immer vorhanden ist.
Die Konsequenz des Ganzen ist, dass die Frau ihren Rucksack alleine nicht mehr auf den Rücken heben kann. Ihr Mitwanderer muss ihr helfen. Da möchte ich nicht mit ihr tauschen! Meinen Respekt bekommen sie aber definitiv dafür, die Tour von Røysvatn nach Pauro in einem Tag geschafft zu haben. In Ermangelung eines Zeltes blieb ihnen aber auch nicht anderes übrig. Eine ruhelose Nacht unter freiem Himmel und mit regem Besuch durch die Mücken haben sie nämlich schon hinter sich. Allerdings ist die Stimmung bei den beiden nicht so gut und sie denken über einen Ausstieg an der Sitashütte nach.
Am Ende eines langen Wandertages sitzen wir in der gemütlichen Pauro Hütte
Im Laufe des Abends trifft auch Kathrin in Pauro ein. Ihre schweren Stiefel, die bis zur Hälfte ihrer Waden gehen sind ziemlich nass. Bestimmt zehn Minuten braucht sie, bis sie die Füße endlich daraus befreit hat. Wir erfahren von ihr, dass sie in den deutschen Wanderer getroffen hat und nun genügend Essen hat, um gemütlich bis Vaisaluokta zu laufen. Uns freut es, dass der Essensaustausch geklappt hat. Zusätzlich beruhigt es uns, zu wissen, dass Kathrin nun mehr als nur zwei Müsliriegel pro Tag essen kann.
Da wir die ersten waren, die heute an der Paurohytta angekommen sind, hatten wir die frei Wahl der Schlafzimmer. Wir entscheiden uns für den kleinsten Raum mit zwei Doppelstockbetten. Da die Hütte mit dem norwegischen Wandererpaar und Kathrin überraschend voll wird sind wir froh, dass es so viele Schlafplätze gibt und wir nach dem langen Wandertag ein wenig unsere Ruhe haben können. Lando hat das größte Schlafzimmer für sich alleine: Er muss nach den Regeln, die in Pauro gelten, im Aufenthaltsraum bleiben.
Sitashytta
Beschreibung
Die Sitashytta liegt am nordwestlichen Ende des Sitasjávri und direkt neben ein geschotterten Straße. Diese ist allerdings für den Verkehr gesperrt und somit nicht befahren. Wie üblich besteht die Hütte aus mehreren Gebäuden: ein kleines Toilettenhäuschen und ein Materialschuppen sowie eine große Haupthütte und eine kleinere Hütte, die ein wenig abseits steht. Letztere verfügt über lediglich zwei Schlafplätze. Genau richtig für uns!
Tag 9: Sitashytta - Paurohytta
Profil
Beschreibung
Der neunte Tag: Von der Sitashytta zur Paurohytta.
Auch diese Etappe gehört mit mehr als 20km zu längeren Abschnitten auf unserer Tour. Es gilt je zwei steile An- und Abstiege zu bewältigen. Nach dem ersten Abstieg und mit 12km auf etwa der Hälfte des Weges steht die Baugebua. Eine kleine, urgemütliche Nothütte. Hier lässt sich super eine Pause einlegen. Wer möchte kann die Strecke durch eine Übernachtung an/in der Baugebua auch in zwei Hälften teilen. Jeweils vor den beiden Abstiegen gibt es einen grandiosen Panoramablick über das Baugevatnet bzw. den Bovrojávri.
Baugebua
Beschreibung
Die Baugebua ist eine kleine Nothütte mit nur zwei Schlafplätzen. Sie ist super für eine Pause auf halben Weg zwischen Paurohytta und Sitashytta geeignet.
Paurohytta
Beschreibung
Die Paurohytta liegt am nördlichsten Zipfel des Bovrojávri. Es gibt eine große Haupthütte und eine weitere kleine Hütte. Der Blick über den See ist zu jeder Tageszeit fantastisch. Aufgrund des Platzangebotes und der grandiosen Landschaft ist die Paurohytta in unseren Augen ebenfalls hervorragend für einen Pausentag geeignet.
2 Kommentare
Sehr netter Bericht! Schön dass ihr Bastian getroffen habt, am Vortag war er noch bester Dinge (https://www.outdoorseiten.net/vb5/forum/tourenberichte/tourenberichte-nördliches-europa/110316-no-se-grensefjellet-im-sonnigen-sommer-2019?p=2534562#post2534562). Herzlichen Gruß!
Ach wie cool! Wie klein die Welt ist. Habe im Forum ein bisschen gelesen und wenn man deine, unsere Erlebnisse und die Geschichten aus dem Hüttenbuch zusammenführt, bekommt man einen richtig guten Eindruck was sich so über mehrere Tage in und um die Røysvatn Hütte abgespielt hat. Spannend auch, dass du den Hund getroffen hast. Wir haben ja nur über ihn gelesen und von anderen Wanderern gehört, die ihn getroffen haben.