Inhaltsverzeichnis
Start: Kilpisjärvi
Ende: Bergskogshytta/Storslett
Distanz Abschnitt: 108,5 km
Wandertage: 5
Gesamtstrecke: 2.003,0 km
Tag 122: Kilpisjärvi – Saarijärvi – Kuonjarjoki
14.09.2022 | 21,3 km
Es ist der Tag, an dem der Winter in Finnland einbrechen wird. Aber das wissen wir heute morgen noch nicht. Als wir auf den Wetterbericht schauen, erkennen wir, dass es in den nächsten Tagen ungemütlich werden wird. Der zusätzliche Pausentag hat da nicht geholfen. Heute soll es regnen, bei zwei Grad. Ein Blick nach draußen bestätigt das ungemütliche Wetter. Wir ziehen daher die Regensachen an und auch Landos Mantel bekommt direkt seinen ersten Einsatz.
Der Ort Kilpisjärvi liegt schnell hinter uns und nun geht es stetig bergauf zurück ins Fjäll. Es ist nebelig und die Zwergbirken um uns herum leuchten in hellem orange. Der Weg ist steinig und anstrengend zu gehen. Aber das haben wir auch über den vor uns liegenden Abschnitt durch Finnland gehört. Er soll nicht besonders gut zu laufen sein. Zwischen den Regen mischen sich bald erste Schneeflocken und um uns herum pfeift ein eisiger Wind.


Willkommene Pause an der Saarijärvi Hütte
Nach etwas mehr als acht Kilometern laufen wir nochmal kurz durch Norwegen und wieder zurück nach Finnland. Ein Schild kündigt den Grenzwechsel an. Die weiteren Kilometer bis zur Saarijärvi Hütte ziehen sich. Wir sind heilfroh als wir ankommen. Drinnen haben es sich schon einige Menschen gemütlich gemacht. Der Ofen brennt, aber mir wird während der gesamten Pause trotzdem nicht warm. Der aufkommende Gedanke hier die Nacht zu verbringen, wird schnell von der Realität verdrängt: die Hütte ist bis auf den letzten freien Platz voll.

Schneesturm und Kälte
Wir laufen daher weiter. Vor uns liegen noch etwa neun Kilometer, die uns bis fast 1000 Meter hoch führen. Wie es dort wohl aussieht? Die Schneedecke ist bereits geschlossen als wir weiterlaufen. Mit jedem Schritt wird der Wind schneidender. Landos Gesicht ist komplett vereist und die Wegmarkierungen nur noch sehr schlecht erkennbar. Wir müssen ständig anhalten, um uns neu zu orientieren. Bloss nicht verlaufen, bei diesem Wetter. Von der Landschaft um uns herum bekommen wir nichts mehr mit. Es geht nur noch ums Ankommen. Mir kommt der Gedanke, dass es in solchen Situationen sehr schnell gefährlich werden kann und ich frage mich, ob wir gerade wirklich das Richtige tun.
Mir ist kalt, Lando trabt nur noch mit und Manuel gibt sein bestes, die eingeschneiten Holzpfähle, die den Weg hier in Finnland markieren, zu finden. Heute morgen haben wir die orange Markierung zwischen all den herbstlichen Zwergbirken noch verflucht, jetzt führt sie dazu, dass man überhaupt noch eine Markierung findet. Gegen zwanzig Uhr kommen wir endlich an der Kuonjarjoki Hütte an. Glücklicherweise haben die anderen Gäste sich schon um Feuerholz und Wasser gekümmert. Auch einen Trockenraum gibt es! Ein Hoch auf die finnischen Hütten.



Tag 123: Kuonjarjoki – Pitsusjärvi
15.09.2022 | 20,0 km
Über Nacht hat es weiter geschneit. Während alle anderen in Richtung Kilpisjärvi aus den Bergen heraus wollen, laufen wir weiter hinein. Aber zumindest geht es nach den ersten sechs Kilometern langsam wieder in tiefere Regionen. Bis dahin aber kämpfen wir uns weiter durch den Schnee. Der Wind hat etwas nachgelassen, ist aber immer noch unangenehm. Markierungen sind nicht mehr zu erkennen. Teilweise ist der Schnee knietief. Wir queren einige Flüsse und unsere Füsse werden immer nasser. Dazu kommt, dass wir Steine und Geröll unter dem Schnee nicht erkennen können.
Schnee, nasse Füße und eine verschlossene Hütte
So tasten wir uns voran und knicken doch bei sehr vielen Schritten um. Dieser Tag ist definitiv einer der anstrengendsten der Tour. Den Abstecher zur Meekonjärvi autiotupa, der offenen Hütte, wollen wir nicht machen. Keinen Meter zu viel laufen! Stattdessen machen wir auf der Veranda einer der verschlossenen Hütten kurz Rast und freuen uns, dass zumindest das Toilettenhäuschen offen ist.





Die Stimmung ist gedrückt. Spaß macht uns das, was wir gerade machen nicht. Und die Hälfte der Etappe liegt noch vor uns. Der Schnee ist mittlerweile Matsch und Nässe gewichen. Wir sind jetzt auf etwa 600 Metern Höhe und laufen am Seeufer entlang. Seeufer klingt so idyllisch, was wir vorfinden ist aber eine Stein- und Geröllwüste. Und die ist verdammt rutschig bei der Nässe. Da helfen auch die Holzplanken nicht viel, die an einigen Stellen ausgelegt sind. Auch die sind glatt.
Von nassen Steinen und rutschigen Holzplanken
Nach scheinbar endloser Zeit erreichen wir die Brücke am Vuomakasjärvi. Die alte Brücke war kaputt und die neue steht erst seit einer Woche wieder. Wir sind froh, dass wir den Fluss trockenen Fußes überqueren können. Obwohl natürlich von trockenen Füßen keine Rede sein kann.
Irgendwie vergehen dann auch noch die letzten sieben Kilometer und wir erreichen die Pitsusjärvi Hütte im strömenden Regen. Die Hütte ist winzig klein und überall hängen bereits nasse Klamotten. Wir hängen unsere dazu und plaudern noch mit zwei Finnen, die an diesem Tag auf den Halti gestiegen sind. Als Finne scheint man das wohl mal im Leben gemacht haben zu müssen. Die beiden sind in vollem Bewusstsein, dass man oben wirklich gar nichts sehen kann, dort hochgestiegen. Einfach nur, um zu sagen, dass sie dort oben waren. Kann man machen, muss man aber wohl nicht.



Tag 124: Pitsusjärvi – Kopmajoki – Somashytta
16.09.2022 | 14,6 km
Heute liegen nur vierzehn Kilometer vor uns. Ich atme tief durch und bin dankbar dafür. Ein paar Stunden, dann sollten wir wohl da sein. Es regnet schon wieder. Und es ist kalt. Und steinig. Und windig. Ich bin bald komplett nass und wenig später auch ziemlich durchgefroren. Meine Hose saugt sich total voll Wasser, weil der Regenrock vom Wind hochgeblasen wird. Eine Regenhose wäre jetzt auf jeden Fall die bessere Wahl. Manuels Kombination aus Regenhose und Poncho zeigt jetzt ihre Stärken.

Völlige Erschöpfung an der Kopmajoki Hütte
Vier Stunden brauchen wir bis zur Kopmajoki Hütte, die letzte offene finnische Hütte. Wir sind ganz alleine, denn nachdem wir den Abzweig zum Halti hinter uns gelassen haben, ist es einsam geworden. Bis zur Somashütte sind es nur noch drei Kilometer, aber ich brauche eine Pause. Wir holen Feuerholz und machen den Kamin an. Nach etwas mehr als zwei Stunden ist mir wieder warm und auch meine Hose ist einigermaßen trocken. Wir ziehen weiter. Vor uns liegen noch einige Flussquerungen und der Grenzübertritt zurück nach Norwegen. Es ist der letzte auf unserem Weg zum Nordkapp.




Die Somashytta finden wir übrigens nicht an der Stelle, wo sie in der Karte verzeichnet ist, sondern etwa 200 Meter weiter. Schon von weitem sehen wir, dass Birkenstämme von außen am Schuppen angelehnt stehen. Die Hütte selbst ist recht großzügig aber ziemlich feucht und kalt. Während ich mich auf den Weg zum Fluss hinunter mache, um Wasser zu holen, verschwindet Manuel im Holzschuppen. Zum Wasser ist es hier ziemlich weit. Ich laufe bestimmt 200 Meter bergab und dann mit den schweren Eimern auch wieder hinauf. Hüttenleben ist manchmal ganz schön anstrengend.
Eine ungemütliche Hütte und ein totes Garmin
Manuel ist derweil nicht viel weiter gekommen. Der Holzvorrat ist erschöpft, es gibt nur noch große und nasse Birkenstämme. Wir brauchen gemeinsam bestimmt zwei Stunden, bevor wir es schaffen ein Feuer anzuzünden. Und auch danach wird es einfach nicht warm in der Hütte. Wir blasen unsere Matten auf und legen diese in die Betten. Die Schaumstoffmatratzen sehen nicht einladend aus. An diesem Abend trauern wir den gemütlichen finnischen Hütten auf jeden Fall hinterher. Als wir mit unserem kaputten Garmin InReach Mini an diesem Abend versuchen, dass Wetter abzurufen, stirbt das Gerät endgültig. Bisher haben wir es zumindest mit etwa 45 Minuten Laden an der Power Bank geschafft, das Gerät zu aktivieren und unseren abendlichen Standort zu senden. Heute dagegen geht gar nichts mehr.

Wir wollten aber eigentlich den Wetterbericht als Entscheidungsgrundlage dafür nehmen, wie es von hier aus weitergeht. Eigentlich planten wir von hier aus weglos zur Nedrefosshytta zu queren und von dort aus ins Nabar einzusteigen. Allerdings sind die Flüsse aufgrund des Regens und des schmelzenden Schnees der vergangenen Tage ziemlich hoch und auch durchs Nabar geht es weglos weiter. Ohne Wetterbericht und ohne Notfallssender sieht die Lage jetzt plötzlich anders aus. Wir diskutieren unsere Möglichkeiten und kommen zu dem Schluss, dass wir Internet brauchen, um die Lage zu bewerten und um auch unser neues InReach Mini zu aktivieren.
Die Entscheidung fällt daher darauf, dass wir dem Nordkalottleden in Richtung Reisadalen erstmal folgen. Wir haben keinen Plan, wo wir dort übernachten. Auf unserer Karte sind die Saraelv Hütte und die Nordkalottstua eingezeichnet. Bis zur ersten sind es etwa 29 Kilometer. Naja, dass kann ja was werden.
Tag 125: Somashytta – Nordkalottstua
17.09.2022 | 30,7 km
Um neun Uhr brechen wir auf. Heute liegt eine lange Etappe mit einigen Flussquerungen vor uns. Es regnet und der Wind pfeift schon wieder ordentlich. So ungemütlich die Hütte war, draußen ist es ungemütlicher. Etwa 20 Kilometer laufen wir jetzt auch auf knapp 800 Metern Höhe weiter, sodass mit Besserung nicht zu rechnen ist. Über unsere Handschuhe haben wir Ziplock Beutel gezogen, damit unsere Handschuhe nicht ganz so schnell nass werden. Da das Anziehen ziemlich kniffelig ist, sind unsere Hände jetzt nur noch im äußersten Notfall für etwas anderes als das Halten der Wanderstöcke zu gebrauchen.
Schaffen wir es bis ins Reisadalen?
Die Zeit sitzt uns im Nacken, denn abends wird es jetzt spürbar früher dunkel. Schaffen wir es im Hellen bis ins Tal? Unsere erste Pause machen wir daher erst nach sechs Stunden, als wir etwa 17 Kilometer gelaufen sind. Da es aber eisig kalt ist, ziehen wir nach einem kurzen Snack weiter. Erst beim Abstieg ins Tal wird es irgendwann etwas wärmer. Selten war ich so froh über Bäume, die den Wind brechen und das Wandern direkt angenehmer machen. Jetzt können wir auch die Plastikbeutel von den Handschuhen nehmen und hin und wieder ein Blick aufs Handy werfen. Aber Internetempfang haben wir nicht.


Einen gewaltigen Wasserfall bestaunen wir noch bevor wir gegen 19 Uhr an der Straße ankommen. Die Anspannung fällt von mir ab. Geschafft! Es dämmert bereits und nun müssen wir noch einen Schlafplatz finden. Die Saraelv Hütte finden wir nicht, wir haben auch immer noch keinen Empfang. Die Erschöpfung des Tages breitet sich in mir aus und bringt Verzweiflung mit. Wo sollen wir denn jetzt hin? Ich will keinen Schritt mehr gehen und mir laufen die Tränen über die Wangen.


Auf der Suche nach einer Hütte
Über die Nordkalottstua wissen wir nichts, nichtmal, wo sie liegt. Einen Wegweiser gibt es jedoch und so machen wir uns auf den Weg. Rechts und links des Weges machen wir potentielle Zeltplätze aus, falls wir die Hütte nicht finden. Klar würde das gehen, aber wir sind komplett nass und nach dem anstrengenden Tag möchte ich einfach nur ins Warme. Vor uns sehen wir etwas Licht und als wir näher kommen, sehen wir einige Autos. Die Männer fragen uns, wo wir hinwollen und deuten uns den Weg zur Hütte. Dort könnten wir schlafen. Hoffnung keimt in mir auf und tatsächlich, wir finden die Hütte. Allerdings verschlossen und zwar nicht mit dem DNT Schlüssel. Es ist mittlerweile stockduster und während wir versuchen jemanden zu erreichen, erkunden wir die Gegend rund um die Hütte. Sie liegt mitten im Reisadalen Besucherzentrum, aber dieses ist jetzt, außerhalb der Saison, längst wieder geschlossen.
Plötzlich bekommt Manuel eine SMS mit dem Code für die Schlüsselbox und wenig später befinden wir uns in der Hütte. Die Hütte ist urgemütlich, es ist warm und es gibt sogar batteriebetriebene LED Lampen. Nur Internet, das haben wir immer noch nicht.



Tag 126: Nordkalottstua – Bergskogshytta – Storslett
18.09.2022 | 22,0 km
Unsere Schuhe sind am nächsten Morgen immer noch klamm. Und wir immer noch im Krisenmodus. Wohin wollen wir weiter? Den großen Umweg nach Kautokeino laufen? Durchs Nabar? Oder Richtung Nordwesten zur Straße und dort weiterlaufen? Das Nabar scheidet aus, da wir weiterhin kein Internet und kein Satelliten Notfallsender haben. Ich habe eine Tendenz in Richtung Kautokeino zu laufen, Manuel möchte lieber in die andere Richtung. Die letzten Tage waren kräftezehrend und wir sehnen uns beide nach einem warmen Ort, gutem Essen und ein bisschen Ruhe, um unsere Gedanken zu sortieren.


Internet? Warum gibt es hier kein Internet?
Wir entscheiden uns daher, in Richtung Nordwesten dem Reisadalen zu folgen und hoffen auf Internetempfang. Das Reisadalen ist übrigens ziemlich hübsch mit seinen steilen Hängen an denen um diesen Jahreszeit ein herbstgefärbter Wald wächst. Immer wieder haben wir schwachen Empfang. Unsere erste Priorität liegt auf einer Unterkunft. Viele Möglichkeiten gibt es nicht und so buchen wir eine Hütte in 22 Kilometer Entfernung. Buchung und Bezahlung funktionieren, nur einen Code bekommen wir nicht. Viele Male versuchen wir Statskog zu erreichen, allerdings erfolglos. Schließlich stehen wir vor der Hütte und haben immer noch keinen Zahlencode.

Erschöpfung, Frust und Flucht nach vorne
Frust breitet sich in uns aus. Gerade läuft aber auch gar nichts, wie es soll. Das Internet ist zudem mies und hier können wir sicher keine Recherche zu den nächsten Tagen starten. Was es wohl kosten würde, von hier aus mit dem Taxi bis in den nächsten Ort Storslett zu fahren? Manuel ruft beim Taxiservice an und wenig später haben wir sowohl Taxi als auch Hotel gebucht. Soll die Statskog Hütte uns doch mal gern haben. Wir wollen einfach nur noch hier raus.
Eine halbe Stunde später holt uns die Taxifahrerin ab, drückt beide Augen zu, da sie Lando eigentlich nicht befördern darf und fährt uns zum Hotel. Erschöpft fallen wir dort ins Bett und gewinnen ein bisschen Abstand von den Strapazen der letzten Tage.
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