Nach einer erholsamen Nacht brechen wir früh auf, um der schlimmsten Hitze zu entgehen. Der Beschreibung in der Hütte nach soll die Tour zur Cáihnavággi-Hütte vier Stunden dauern. Es sind 12,5 Kilometer und da klingt die Zeitangabe eigentlich realistisch, nach den Erfahrungen von gestern mischen sich aber erste Zweifel in unsere gute Laune.
Lieber durch einen Fluss waten oder einen Umweg laufen?
Wir haben auf der Karte aber auch entdeckt, dass wir eine weitere norwegische Brücke überqueren müssen und, dass eine weitere Watstelle verzeichnet ist. Letztere kann man durch einen Umweg von etwa einem Kilometer umgehen, dort befindet sich eine Brücke. Trotzdem wir nicht wissen, ob wir mit Lando über die Brücke kommen, beschließen wir schon vor dem Aufbruch an der Hütte, den Umweg aufgrund der hohen Wasserstände in Kauf zu nehmen.
Diese Tour ist nicht nur körperlich anstrengend – die Ungewissheit, was vor uns liegt, macht mir zu schaffen
An diesem Morgen finde ich es psychisch schwer mit der Ungewissheit umzugehen, was vor uns liegt. Ich frage mich, ob wir an diesem Tag wie geplant an der Cáihnavággi-Hütte ankommen werden und ob wir diese Tour überhaupt schaffen können. Die letzten Tage haben mir deutlich meine eigenen Grenzen, aber auch die Grenzen des Wanderns mit Hund aufgezeigt. Und vor uns liegt der vermeintlich schwerere Teil unserer Tour.
Hatte ich gestern gesagt, dass die Brücke klapprig war? Die heute ist vieeel schlimmer!
Bis zur ersten Brücke sind wir schnell gelaufen. Von weitem sieht sie noch besser aus als die Brücke vom Vortag, weil die Leitern an der Seite nicht so hoch sind. Bei näherer Betrachtung ist die Brücke jedoch ganz schön hinüber. In Deutschland dürfte so eine Brücke niemals in Betrieb sein. Das Geländer fehlt in weiten Teilen oder ist gebrochen und die Brücke ist bedrohlich in sich verdreht.
Manuel geht als erstes mit dem Rucksack hinüber. Während ich ihn beobachte wird mir klar, dass es viel zu gefährlich wäre, Lando über diese Brücke zu schicken. Manuel kommt also ohne Rucksack zurück und ich gehe mit meinem Rucksack auf die andere Seite. Nach dem ersten Drittel fange ich an zu singen, um meine Angst im Zaum zu halten und mich auf etwas anderes zu fokussieren. Während ich eine Strophe nach der anderen von Rolf Zuckowskis „ich schaff das schon“ in meinem Kopf hervorkrame, tost unter mir das reißende Wasser des Flusses. Wenn ich da reinfallen würde, würde der Urlaub eine unschöne Wendung nehmen. Schnell beiseite mit den Gedanken. Alles geht gut, doch meine Beine zittern als ich wieder festen Boden unter den Füßen habe.
Gut, dass Lando so ein mutiger Schwimmer ist
Im nächsten Schritt suchen wir nun wieder eine geeignete Schwimmstelle für Lando. Ein bisschen flussaufwärts weitet sich der Fluss auf und die Strömung ist nicht ganz so reißend, jedoch immer noch recht stark. Die Entfernung ist weit, man hört mich kaum bis zur anderen Seite, obwohl ich laut rufe. Ich wollte dort nicht schwimmen und auch Lando braucht ein bisschen Überredungskunst und laute Motivationsrufe von meiner Seite bis er sich traut zu schwimmen. Ein bisschen wird er durch die Strömung abgetrieben, aber am Ende kämpft er sich zu mir durch. Ich atme tief durch als er endlich aus dem Wasser steigt und bin froh, dass wir auch diesen Fluss gemeistert haben.
Sonne und die Weite Lapplands, was will man mehr?
Der Weg führt uns durch das weite Tal, das der Cunojohka durchfließt. Wir haben herrlichen Sonnenschein und die Wolken verschwinden vollständig vom Himmel. Von unten ist es oft moorig und nass und etwa eine Stunde später stehen wir vor dem nächsten Fluss ohne Brücke. Das hatten wir nicht erwartet. Aber mittlerweile haben wir einen Blick dafür, wo man am besten durch einen Fluss kommt. Also wieder Hose und Socken aus und durch den etwa knietiefen Fluss hindurch. An der anderen Seite alles wieder an und weiter geht’s.
Den Abzweig zur oben beschriebenen Watstelle finden wir nicht, anscheinend nehmen die meisten Wanderer den Umweg über die Brücke auf sich. Zu unserer freudigen Überraschung ist diese deutlich massiver gebaut als die anderen Brücken, die wir in Norwegen bisher angetroffen haben: Es gibt auf jeder Seite ein Brückenportal und der Boden ist stabil und erheblich breiter. Zusätzlich ist sie auch in einem viel besseren Zustand und wir wagen es, Lando auf die Brücke mitzunehmen. Dies wird auch dadurch möglich, dass wir nicht erst mit einer Leiter auf die Brück klettern müssen. In der Mitte fehlt ein Stück des Bodens, etwa 30 Zentimeter, dort muss Manuel nachhelfen und Lando drüberheben. Den Rest ist er aber alleine, wenn auch auf wackeligen Pfoten gegangen! Wir haben für diese Brückenquerung etwa 5 Minuten gebraucht. Kein Vergleich zu bis zu einer Stunde, wenn Lando schwimmen muss.
Wir werden noch zu Pfadfindern – einmal mehr den Weg verloren
Nach der Brücke finden wir den Pfad nicht wieder. Auf unserer Karte ist er recht weit unten am Hang eingezeichnet, tatsächlich verläuft er ein ganzes Stück weiter oben. Wir schlagen uns eine Zeit durch einen brusthohen und sehr dichten morastigen Weidenwald, bis wir uns entgegenkommende Wanderer sehen, durch die wir den eigentlichen Weg wiederfinden.
Navigation in Norwegen
In Norwegen sind die Wege viel schwerer zu finden und auch die Navigation mit GPS führt nicht immer an die richtige Stelle, da das Kartenmaterial oft nicht richtig ist. Wege ändern sich teilweise von Saison zu Saison. Daher immer gut aufpassen und eventuell lieber ein paar Meter zurückgehen und nochmal nach dem Weg schauen.
Etwa für eine Stunde geht es weiter durch dichten Weidenwald mit ständig nassem Untergrund. Das zerrt an unseren Kräften und wir sind froh, als wir die Baumgrenze erreichen. Es geht nun in der sengenden Hitze stetig bergauf und natürlich haben wir schon jetzt länger gebraucht als die prognostizierten vier Stunden.
Dieses Wetter ist der Wahnsinn!
Bald kämpfen wir vor allem gegen den Sonnenbrand, haben deshalb trotz Temperaturen jenseits von 20 Grad und ziemlicher Anstrengung langärmlige Pullover an. Unser Weg zur Cáihnavággi-Hütte führt uns oberhalb des Cáihnajohka entlang und wir genießen den tollen Blick hinunter auf den Fluss. Kurz vor der Hütte laufen wir knapp oberhalb eines Sees. Hier gibt es viele super Zeltplätze mit der wahnsinnig tollen Aussicht über das Tal.
An der Cáihnavággi-Hütte ist es einfach unbeschreiblich schön
Nach etwa 8,5 Stunden erreichen wir die traumhaft schön gelegene Cáihnavággihytta. Schnell entschließen wir uns dazu uns eine weitere Nacht in der Hütte statt im Zelt zu gönnen! Wir können gar nicht fassen wie toll die norwegischen Hütten gelegen sind und welchen Luxus sie bieten. Alle sind absolut individuell und total gemütlich.
Wir treffen an diesem Abend auch eine deutsche Gruppe, bestehend aus Vater, Sohn und einem Freund des Sohnes. Die drei haben einen Pausentag an der Cáihnavággi-Hütte gemacht, da sie vorher auf abenteuerlichem Wege über einen Gletscher dorthin gelaufen sind. Wir unterhalten uns eine Weile und stellen fest, dass sie in den nächsten Tagen auf gleichem Wege wie wir weiterlaufen wollen.
DNT Hütte Cáihnavággi
Die Hütte liegt absolut malerisch am Ende eines Tals mit Blick auf einen namenlosen See. Ein dort liegendes Ruderboot kann genutzt werden. Tagestouren auf die umliegenden Berge des Cáihnavárri Massivs sind problemlos möglich und sollen sich nach Meinung der anderen Hüttenbesucher auch lohnen.
Betten: 6 in drei Hütten laut DNT Homepage, meiner Meinung nach waren es aber mehr (mind. 8-10)
Strom: nein
Bezahlung: im Nachgang per Paypal oder Überweisung
Schlüssel: DNT Schlüssel
Weitere Informationen: ut.no (nur norwegisch)
Wir treffen einen Wanderer, der bereits die vor uns liegende Strecke gelaufen ist
Ein weiterer Wanderer pausiert an diesem Abend kurz an der Cáihnavággi-Hütte, bevor er sich etwas unterhalb der Hütte einen Zeltplatz sucht. Er läuft in entgegengesetzter Richtung wie wir und ist von Ritsem kommend genau die Strecke gelaufen, die wir noch vor uns haben. Er erzählt uns, dass alle vor uns liegenden Flüsse gut durchquerbar sind und die Brücken kein Problem darstellen. In weiten Teilen des Weges bis Røysvatn erwartet uns jedoch eine geschlossene Schneedecke. Er warnt uns auch vor dem Abstieg zwischen Skoaddejávri und Sitas. Dieser sei sehr steil und er ist sich nicht sicher, ob wir dort mit Lando runterkommen.
Den Gränsleden hat er als anstrengend wahrgenommen, da er den Weg mehrfach verloren und sich einmal in einem dichten Weidengebüsch verlaufen hat. Einerseits beruhigt uns seine Einschätzung, was die Flüsse angeht, andererseits bekommen wir mächtig Respekt vor dem, was vor uns liegt. Ich erhalte jedoch auch das Gefühl, dass unser Gegenüber uns die Wanderung nicht zutraut und skeptisch ist, was Landos Geländegängigkeit angeht. Die nächsten Tage werden es zeigen.
Cunojávrihytta
Beschreibung
Die Cunojávri-Hütte liegt wunderschön mit Blick über den gleichnamigen norwegischen See. Die kleinere Hütte ist gut eingerichtet, angenehm hell und die noch relativ neu. Bewirtet ist sie nicht und ihr braucht den passenden Schlüssel vom DNT.
Tag 5: Cunojávri - Cáihnavággi
Profil
Beschreibung
Der fünfte Tag: von Cunojávri zur Cáihnavággihytta.
Der Weg von der Cunojávrihytta zur Cáihnavággihytta ist etwa 13,5 km lang und äußerst vielfältig: Wir queren mehrere Flüsse sowohl mittels Furt als auch über Brücken von verschiedener Qualität und Bauart (Stand 2019). Der Weg verläuft sowohl durch trockene als auch sehr nasse Wiesen, sumpfige Weidenbüsche und zuletzt deutlich oberhalb der Baumgrenze. Den letzten Anstieg zur Hütte empfinden wir bei sengender Sonne durchaus als anstrengend.
Cáihnavággihytta
Beschreibung
Auch die Cáihnavággihytta liegt an einem See und ist mit dem DNT-Schlüssel verschlossen. Allerdings ist sie mit etwas mehr als 1000 m höher gelegen, als die Cunojávrihytta. Der Ausblick in die noch von Schneeresten bedeckten Berge war großartig.